Eine wasserstoffreiche, passive Galaxie

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Ein tiefes optisches Bild der gasreichen Galaxie GASS 3505, die bei Radiowellen einen Ring aus neutralem Wasserstoffgas zeigt (ein schwaches Band ist links in diesem Bild zu erkennen), vermutlich ein Ergebnis von Akkretion. Astronomen ziehen den Schluß, daß die Sternentstehung in diesem Objekt sehr gering ist, weniger als etwa 0.1 Sonnenmassen pro Jahr. Gereb et al. 2016

Kaltes Gas in Form neutraler Wasserstoffatome bildet vom fernen bis zum nahen Universum das Reservoir zur Sternentstehung in Galaxien. Zu verstehen, wie es auf Galaxien akkretiert, ist von ausschlaggebender Bedeutung, da frischer Nachschub an Gas die anhaltende Sternbildung ermöglicht. In der gängigsten Vorstellung erfolgt Akkretion auf die Galaxie entlang kosmischer Filamente und zumindest bei massereicheren Galaxien wird dabei das Gas durch Stoßfronten aufgeheizt; bei kleineren Galaxien bleibt das einfallende Material relativ kühl. Da Galaxien im frühen Universum kleiner sind, sollte dieser kalte Wachstumsprozeß für sie daher typischer sein.

Astronomen, die die Akkretion untersuchen, müssen nah gelegene Galaxien betrachten, da diese zum einen heller sind und zum anderen unterscheidbare räumliche Strukturen wie Schweife, Brücken, ringartige Formen, verbogene Scheiben oder einseitig auftretendes Gas zeigen, die alle von dem sich anhäufenden Gas stammen könnten. Die GALEX Arecibo SDSS Survey (GASS) ist eine bei mehreren Wellenlängen durchgeführte tiefe Studie, ausdrücklich dafür entworfen, nach Galaxien zu suchen, die reich an atomarem Wasserstoff sind. Sean Moran vom CfA hat mit fünf weiteren Kollegen GASS durchsucht, um letztlich ein Objekt, GASS 3505, auszusortieren, daß nahezu zehn Milliarden Sonnenmassen an atomarem Wasserstoff enthält und im Optischen ein rundes, recht unstrukturiertes Erscheinungsbild zeigt. Das Team machte im Anschluß mit dem Jansky Very Large Array sehr genaue Radiokarten der Wasserstoffstrahlung.

Die Astronomen entdeckten, daß das kalte Gas in einem Ring mit einem Durchmesser von etwa 160.000 Lichtjahren um die Galaxie verteilt ist, innerhalb dessen eine besonders unproduktive Sternentstehung abläuft (etwa ein zehnfach niedrigerer Wert als in der Milchstraße). Es stellte sich heraus, daß der Ring mit einer vielschichtigen Strömung aus Material verbunden ist, die ein Hinweis auf Gaseinfall und Akkretion ist; diese Strömung erinnert daran, wie wichtig auch lichtschwache morphologische Strukturen für das Verständnis der Entwicklung einer Galaxie sind. Die Wissenschaftler führten neben anderen Untersuchungen auch Computersimulationen einer Verschmelzung durch, die hilft, die Aktivität von GASS 3505 zu erklären. Zwischen Simulation und Beobachtung fanden sich aber geringfügige Abweichungen, die das mögliche Vorkommen einiger zusätzlicher Aktivitäten erkennen lassen und die darauf warten, bestätigt und bestimmt zu werden. Künftige Durchmusterungen mit einer neuen Generation Radioteleskope werden es ermöglichen, diese gasreichen Systeme auf kosmologischen Entfernungen zu untersuchen.

Literatur:

“GASS 3505: The Prototype of HI-Excess, Passive Galaxies”

K. Geréb, B. Catinella, L. Cortese, K. Bekki, S. M. Moran, and D. Schiminovich

Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 462, 382–394 (2016)