Eine primordiale sternbildende Galaxie (Originalartikel vom 25.01.2019)

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)

Eine Hubble-Aufnahme einer ultraleuchtkräftigen Infrarot-Galaxie in relativer Nachbarschaft. Astronomen, die ultraleuchtkräftige Galaxien im fernen, frühen Universum untersuchen, haben eine derartige Galaxie, die aus der Zeit von nur einer Milliarde Jahre nach dem Urknall stammt, entdeckt und zu ihrer Überraschung festgestellt, daß diese den heutigen Galaxien, wie der hier gezeigten, ähnlich ist. ESA / Hubble & NASA

Galaxien mit extrem hohen Sternentstehungsraten (Sterne im Wert von hunderten bis tausenden Sonnenmassen pro Jahr) sind selten. Unsere Milchstraße zum Beispiel bildet nur ungefähr einen Stern pro Jahr. Im Verlauf der Sternentstehung wird Staub so aufgewärmt, daß er im infraroten Licht strahlt und ausgeprägte Starburst-Galaxien, die viele Sterne pro Jahr bilden, strahlen so hell, daß sie in kosmologischen Entfernungen entdeckt werden können. Wenn eine zufällig auf der Beobachtungslinie befindliche Galaxie oder Galaxiencluster durch Gravitationslinseneffekt das Signal verstärkt, können sogar noch weiter entfernte und kosmologisch frühere Galaxien entdeckt werden. Bis heute sind nur eine Handvoll dieser auffälligen Starburst-Galaxien aus der ersten Milliarde Jahren der Existenz des Universums bestätigt worden. Auch wenn es sich nur um wenige Exemplare handelt, liefern sie wichtige Einsichten dahingehend, wie Sterne in jener Frühzeit entstanden, als die meisten chemischen Elemente kaum vorhanden waren. Sie helfen Astronomen auch, Sternentstehung in den Fällen zu verstehen, wo die physikalischen Prozesse, vergleicht man sie mit den Vorgängen in unserer Galaxis, viel dramatischer ablaufen.

Himmelsdurchmusterungen im Ferninfraroten und im Submillimeter-Bereich identifizierten die ersten auffälligen Galaxien durch die Strahlung von Staub, der durch deren Sternentstehungsaktivität erwärmt wurde. Die Sternentstehungsrate ist aus der Leuchtkraft der Galaxie abgeleitet und diese wiederum aus der beobachteten Helligkeit und Entfernung berechnet worden. Wie so oft in der Astronomie, ist die Entfernung wichtig, aber schwer zu messen. Für diese weit entfernten Ungetüme wird der Abstand im Allgemeinen aus der Rotverschiebung einiger starker Linien abgeleitet, die durch die Galaxie im fernen Infrarot oder bei Submillimeter-Wellenlängen abgestrahlt werden; es handelt sich üblicherweise um Kohlenmonoxid (ein häufiges Molekül) und/oder einfach ionisierten atomaren Kohlenstoff.

David Wilner, Astronom am CfA, gehörte zu einem großen Team von Astronomen, die mit dem Large Millimeter Telescope Alfonso Serrano in Mexiko die leuchtkräftige Galaxie G09 83808 weiterverfolgten, die erstmals in Übersichtsaufnahmen des Herschel-Weltraum-Observatoriums entdeckt wurde; zudem beobachteten sie die Galaxie mit ALMA, um die räumliche Ausdehnung zu untersuchen, als auch mit dem Submillimeter Array, um deren Kohlenstofflinie zu messen. Die Spektrallinien datieren die Galaxie auf ungefähr eine Milliarde Jahre nach dem Urknall; dies machte sie zu einer der ersten entdeckten Galaxien, deren Abstand eindeutig so groß war. Berechnungen ihrer Sternentstehungsrate, die auf der Leuchtkraft, bereinigt um Extinktion und Linseneffekte, beruhten, kamen auf ungefähr 380 in Sterne umgewandelte Sonnenmassen pro Jahr; dies ist in der Tat mit einigen ultraleuchtkräftigen Galaxien in unserer eigenen kosmischen Epoche vergleichbar. Dieses Ergebnis deutet an, daß trotz einer ungefähr zwölf Milliarden Jahre währenden kosmischen Geschichte G09 83808 Sterne in der gleichen Weise wie heutige, höchst aktive Galaxien hervorbringt. Das Objekt hat auch eine verhältnismäßig schwache Linie des atomare Kohlenstoffs, eine Eigenschaft, die auch für lokale leuchtkräftige Systeme zutreffend ist (doch bis jetzt nicht gut verstanden). Das neue Resultat bestätigt auch, daß im frühen Universum leuchtkräftige Galaxien mit physikalischen Prozessen vorkamen, die, obwohl auch nicht wirklich verstanden, extreme Fälle im lokalen Universum genau widerzuspiegeln scheinen.

Literatur:

„A Dusty Star-Forming Galaxy at z = 6 Revealed by Strong Gravitational Lensing“

Jorge A. Zavala et al.

Nature Astronomy, 2, 56, 2018

oder

arXiv:1707.09022v3

[astro-ph.GA]

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