Ein ganz junges Sonnensystem

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Falschfarbenbild eines neuen Sterns, der nur etwa 300.000 Jahre alt ist, zeigt seine Scheibe (die Licht absorbierenden dunklen Bänder, die sich in diesem Bild nach oben und unten erstrecken). Eine neue Untersuchung deutet darauf hin: das System ähnelt dem jungen Sonnensystem. Nature und Tobin et al. 2012


 
Astronomen gehen davon aus, daß die Erde, sobald die Sonne zu leuchten begann, weitere 50 bis 100 Millionen Jahre benötigte, um auf ihre heutige Größe heranzuwachsen, während sich das Sonnensystem entwickelte. Aber wie fing die Erde einmal an? Planeten entstehen aus Materiescheiben, die neugeborene Sterne umkreisen; aber Wissenschaftler sind sich nicht sicher, wann und wie genau sich Planeten aus diesen Scheiben entwickeln. Obwohl die große Mehrheit sehr junger Sterne Hinweise indirekter Art auf solche zirkumstellare Scheiben zeigen, sind in nur wenigen Fällen die Scheiben direkt abgebildet oder in allen Einzelheiten untersucht worden, da ihre Abmessungen am Himmel so klein (viel kleiner als das von der Atmosphäre verursachte „Verschmieren“ der Ausdehnung der Sterne selbst) und zudem in den meisten Fällen noch licht-schwächer als ihre heimatlichen Sterne sind.
John Tobin, Lee Hartmann, Hsin-Fang Chiang, Leslie Looney, Laurent Loinard, Nuria Calvet, Paola D’Alessio und David Wilner (SAO) berichten am 06. Dezember 2012 im Journal Nature über die mit dem Submillimeter Array und einem weiteren Radioteleskop durchgeführte Untersuchung der Scheibe um einen sehr jungen Stern in einer nur 450 Lichtjahre entfernten stellaren Kinderstube im Sternbild Stier. Der Stern selbst wird auf nur etwa 300.000 Jahre geschätzt; dies beruht auf Infrarotlicht, das er beim Akkretieren von Ausgangsmaterial aus seiner Umgebung abstrahlt. Das Objekt war für das Team von Interesse, da bereits bekannt war, daß es eine derartige Scheibe besaß.
Erstmals waren die Wissenschaftler in der Lage, die Eigenschaften der zirkumstellaren Scheibe, einschließlich ihrer Rotation, zu messen. Sie entdeckten, daß sich die Rotation der Scheibe wie das Kreisen der Planeten um die Sonne verhält, die sogenannte Kepler-Bewegung, die man nach Johannes Kepler, Astronom aus dem 17. Jahrhundert, benannt hat. Kepler fand heraus, daß im Gegensatz zu einer starren Scheibe, die an der äußeren Kante am schnellsten rotiert, ein System aus Planeten (oder anderer nicht starr miteinander verbundener Körper), die über die Schwerkraft aneinander gebunden sind, am inneren Scheibenrand am schnellsten rotiert. Diese Eigenschaft ermöglichte es der Gruppe, die Masse des im Zentrum stehenden Sterns zu bestimmen; sie entdeckten, daß er fünfmal masseärmer als die Scheibe ist – der erste bekannte Fall, bei dem die Scheibe massereicher als ihr Stern ist. Die Astronomen folgern daraus, daß sich die Scheibe um diesen jungen Stern genauso wie ein Proto-Sonnensystem verhält; dieser Protostern ist der jüngste, der je untersucht wurde und der diese Eigenschaften zeigt.