Die schnellsten ungebundenen Sterne im Universum

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Eine schematische Darstellung der letzten Phase der Verschmelzung zweier supermassereicher Schwarzer Löcher und der daraus folgende Ausstoß einiger Sterne, die die Löcher umkreisten. Diese Sterne, die zahlreich und meßbar sein könnten, dürften Geschwindigkeiten erreichen, die einen beträchtlichen Teil der Lichtgeschwindigkeit ausmachen und könnten in ihren Lebzeiten große Teile des Universums durchqueren. Guillochon and Loeb


 
Sterne stehen nicht still. Sie bewegen sich durch den Weltraum mit Bewegungen, die durch ihre Begegnungen mit anderen Sternen oder Sternsystemen bestimmt sind. Sterngeschwindigkeiten in der Milchstraße betragen üblicherweise ein paar hunderttausend Kilometer pro Stunde. Doch einige seltsame Sterne bewegen sich mit viel höheren Geschwindigkeiten, insbesondere die sogenannten Hyperschnellläufer, von denen der Schnellste sich mit etwa 2.4 Millionen Kilometer pro Stunde bewegt. Diese Sterne sollen aus der Umgebung des supermassereichen Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Galaxis während eines dichten Vorbeiflugs herausgeschleudert worden sind. In der Tat stützt das Vorkommen von solch sich schnell bewegenden Sternen die Hinweise auf die Existenz eines massereichen Schwarzen Lochs im galaktischen Kern.
Die Geschwindigkeiten von Hyperschnellläufern sind hoch, doch Tausende Mal niedriger als die Lichtgeschwindigkeit und relativistische Effekte können für sie vernachlässigt werden. James Guillochon und Avi Loeb, Astronomen am CfA, haben einen Mechanismus gefunden, der sogar noch höhere Sterngeschwindigkeiten zu Stande bringt. Wenn einer von zwei sich umkreisenden Sternen auseinanderbricht oder in einer Supernova explodiert, wird der andere Stern mit einer Geschwindigkeit ausgestoßen werden, die durch seine zuvor maximale Umlaufgeschwindigkeit begrenzt ist. Wenn aber in dem System ein dritter massereicher Stern vorkommt, kann die Geschwindigkeit des ausgestoßenen Sterns über seine zuvor maximale Umlaufgeschwindigkeit hinausgehen. Guillochon und Loeb zeigen, daß ein Paar sich umkreisender, supermassereicher Schwarzer Löcher in einem galaktischen Zentrum, wenn es verschmilzt, beliebig fest gebundene Sterne, die sie umkreisen, freisetzen und mit Geschwindigkeiten herausschleudern können, die bei bis zu dreißig Prozent der Lichtgeschwindigkeit liegen.
Die Forscher machen darauf aufmerksam, daß es viele dieser relativistischen Hyperschnellläufer im Kosmos geben könnte. Sie zeigen zudem, daß ihr Mechanismus der einzig mögliche Weg ist, um eine erhebliche Zahl an Sternen auf diese Geschwindigkeiten zu beschleunigen, so daß, wenn derartige Sterne entdeckt werden, ein Verschmelzungsereignis festgestellt wäre. Die Astronomen schreiben zudem, daß diese halbrelativistischen Hyperschnellläufer während ihres Daseins lange Wege im beobachtbaren Universum zurücklegen und somit als neue kosmologische Boten dienen können, die mit einer neuen Generation von Teleskopen zu entdecken sein sollten.
Literatur:
„The Fastest Unbound Stars in the Universe“
James Guillochon and Abraham Loeb
The Astrophysical Journal, 806:124 (21pp), 2015 June 10