Die Häufigkeit von Sauerstoff

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Ein Infrarotbild von Sternen, die sich in der Ophiuchus-Molekülwolke bilden. Astronomen sind zu dem Schluß gekommen, daß ein Großteil des Sauerstoffs in dieser Region, der bislang als auf seltsame Art verschwunden galt, in Wassereis gebunden ist. NASA Spitzer Space Telescope


 
Sauerstoff ist das dritthäufigste Element im Universum (nach Wasserstoff und Helium). Es gilt daher als ein wichtiger Bestandteil von Wolken aus Gas und Staub, aus denen sich neue Sterne und deren Planeten entwickeln. Selbstverständlich ist Sauerstoff auch für Leben notwendig und alle bekannten Lebensformen benötigen flüssiges Wasser und damit dessen Sauerstoffanteil. Die älteren Modelle über Gaswolken sagten voraus, daß Wasser (relativ) häufig vorkommen sollte – nur etwa eine Million Mal weniger als Wasserstoff selbst – aber Beobachtungen im Verlauf des vergangenen Jahrzehnts machten klar, daß Wasser etwa um das 100-fache weniger häufig als erwartet vorkommt und Sauerstoff in seiner molekularen Form ähnlich selten zu finden ist. Diese Befunde haben den Verbleib von Sauerstoff in den Gas- und Staubwolken zu einem bedeutenden astronomischen Problem gemacht.
Die Astronomen David Hollenbach, Michael J. Kaufman, Edwin A. Bergin und Gary J. Melnick haben in einer neuen Arbeit erfolgreich dargelegt, wo der Sauerstoff vermutlich abgeblieben ist. Die Wissenschaftler entwickelten Modelle, die die Auswirkungen von ultravioletter Strahlung benachbarter Sterne auf Gaswolken ebenso einbeziehen wie die Verbindung des Sauerstoffs zu CO-Gas und die Folgen des Ausfrierens von Sauerstoff auf Staubkörner, auf denen er in Form von Wassereis gebunden werden kann. Ihre Berechnungen zeigen, daß Wassereis viel häufiger vorkommt als bisher erkannt wurde – seine Häufigkeit steigt auf kurzer Strecke in eine Wolke hinein steil an, wenn die ultraviolette Strahlung abgeschirmt werden kann. Der Sauerstoff, der bis jetzt unentdeckt geblieben ist, kann in diesem Wassereis leicht enthalten sein, zumindest in den Fällen, die von den Forschern untersucht wurden. Die Ergebnisse sind ein Meilenstein im Fortschritt unseres Verständnisses der interstellaren Chemie und bei der Erklärung des rätselhaften, scheinbaren Fehlens von Sauerstoff.