Das Skelett der Milchstraße

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Eine fadenartige dunkle Wolke, ein denkbarer “Knochen im Skelett der Milchstraße”, gesehen im Infraroten mit der IRAC–Kamera des Spitzer-Weltraum-Teleskops. Dieser Faden erstreckt sich über etwa 45 Lichtjahre. Astronomen haben 10 solcher filamentartiger Knochen entdeckt und suchen nach weiteren, um den skelettartigen Aufbau der Galaxis zu untersuchen.
NASA Spitzer / GLIMPSE: Zucker et al..


 
Unsere Heimatgalaxie, die Milchstraße, ist eine typische Balkenspiralgalaxie, eine abgeplattete Scheibe aus ungefähr einhundert Milliarden Sternen, Gas und Staub, die sich über etwa 100.000 Lichtjahre im Durchmesser erstreckt. Die galaktische Scheibe ist von einem ausgedehnten kugelförmigen, diffusen Halo von annähernd 500.000 Lichtjahren im Durchmesser umgeben. Obwohl sie unsere Heimat ist, gibt es noch viele grundlegende Fragen über den Aufbau der Milchstraße. Wie viele große Spiralarme besitzt sie beispielsweise, zwei oder vier? Wo genauen liegen sie und wie sehen diese Arme aus? Wie ist die Beschaffenheit der Strukturen zwischen den Armen – sind es genau definierte Ausläufer an Sternen und Gas oder in ihrer Form mehr netzartig? Und nicht zuletzt: macht es überhaupt Sinn, die Milchstraße als typische Spirale zu beschreiben?
Eine Schwierigkeit, auf die Astronomen zur Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen stoßen, ist die Tatsache, daß wir in eben diese Galaxie, die wir versuchen zu enträtseln, eingebettet sind. Das heutige Wissen über die dreidimensionale Struktur der Milchstraße stammt großteils von Messungen der Geschwindigkeiten ihrer Gaswolken. Wie alle Spiralgalaxien dreht sich auch die Milchstraße und kennt man die Rotationskurve, erlaubt dies Astronomen, einen Zusammenhang zwischen Radialgeschwindigkeiten und Entfernungen herzustellen und daraus ein ungefähres dreidimensionales Modell zu entwerfen (obwohl es oft schwierig ist, Strukturen in verschiedenen Entfernungen lediglich entlang der gleichen Sichtlinie zu trennen).
Die CfA-Astronominnen Catherine Zucker, Cara Battersby und Alyssa Goodman haben den Versuch unternommen, die “skelettartige Struktur” der Milchstraße ausfindig zu machen, unter der man dichte, filamentartige und sehr langgestreckte kalte, dunkle Wolken aus Gas und Staub versteht. Diese Strukturen können sich über mehr als tausend Lichtjahre hinziehen, sind jedoch nur einige Lichtjahre breit. Die Wissenschaftlerinnen argumentieren, daß diese Strukturen Teil eines Rückgrats für die Spiralarme sind, in denen sie liegen. Die erste Struktur wurde vor etwa fünf Jahren bei Durchmusterungen im mittleren Infrarot entdeckt und das Team nahm sich vor, weitere skelettartige Strukturen mit der Absicht zu entdecken, ihnen dabei zu helfen, einige der offenen Rätsel über die Struktur der Milchstraße zu lösen.
Die Astronominnen nutzten Infrarot-Durchmusterungen, mit Hilfe derer sie zehn neue, mögliche Gebilde ausmachten, die alle parallel zueinander und sehr nah an der Mittelebene der Galaxis liegen. Sechs haben Seitenverhältnisse von mehr als etwa fünfzig zu eins und besitzen Tausende an Sonnenmassen (vielleicht sogar bis zu zehntausend Sonnenmassen). Die Auswertung dieser Ergebnisse bekräftigt den Gedanken, daß diese Filamente die Lage wichtiger Strukturen in den Spiralarmen anzeigen. Die Gruppe hofft, Hunderte ähnlicher „Knochen“ der Milchstraße finden zu können und diese skelettartigen Strukturen mit anderen Hinweisen des galaktischen Gerüsts zu verbinden, um einen viel besseren Blick auf die Gestaltung der Milchstraße zu erstellen.
Literatur:
„The Skeleton of the Milky Way“
Catherine Zucker, Cara Battersby, and Alyssa Goodman
The Astrophysical Journal, 815:23 (25pp), 2015 December 10