Das Alter extragalaktischer Jets

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
Die helle Radiogalaxie NGC 4261 im sichtbaren Licht (weiß) und im Radiolicht (orange), die ein Paar entgegengesetzt gerichteter Jets zeigt, die aus dem Kern strömen. Astronomen haben ermittelt, daß die Keulen etwa dreißig Millionen Jahre alt sind und von mehreren Ausbrüchen in der Umgebung des Schwarzen Lochs im Kern erzeugt wurden. Wide-Field and Planetary Camera of the Hubble Space Telescope, National Radio Astronomy Observatory[/
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Die längsten bekannten, stark gebündelten Strukturen im Universum sind die schmalen Jets, die in bestimmten Arten von galaktischen Kernen aus der Umgebung gewaltiger Schwarzer Löcher strömen. Diese Jets, die oft paarweise auftreten und sich in entgegengesetzte Richtungen ausbreiten, können sich über Millionen Lichtjahre erstrecken. Riesige Energiemengen werden aus dem Umfeld des im galaktischen Zentrum gelegenen Schwarzen Lochs, wo die Jets entstehen, in den intergalaktischen Raum befördert. Die Jets wurden bei Radiowellenlängen entdeckt, aber sie strahlen auch im Röntgenlicht, weil sich Elektronen in den Jets mit fast Lichtgeschwindigkeit bewegen. Diese Galaxien sind ein geschäftiges Forschungsgebiet, denn sie gehören einerseits zu den energiereichsten Phänomenen im Universum, andererseits liefern sie die grundlegenden Mechanismen, die Energie in die Galaxiencluster einspeisen, in denen die Radiomonster ansässig sind.
Die Entwicklung dieser Jets, ihr Alter und ihre endgültige Anordnung sind nur vage verstanden. Astronomen vermuten, daß sie im Laufe ihrer Existenz drei Abschnitte durchlaufen, die mit der überschallschnellen Ausdehnung von Keulen aus heißem Gas um die Teilchenstrahlen beginnt. Es scheint so, daß in den meisten Quellen dieser erste Abschnitt kurz ist. Danach dehnen sich die Keulen langsam aus, bis die Temperaturen und Drücke in ihrem Inneren auf die Werte des umgebenden Gases abgefallen sind. Im letzten Abschnitt schaltet der Ausstoßmechanismus für die Jets ab und die damit verbundenen Keulen sind nicht mehr zu sehen. Es gibt zahlreiche Beispiele für Galaxien in diesen verschiedenen Stadien, die die Grundlage für diese Gedanken liefern.
Die CfA-Astronomen Ewan O’Sullivan, Diana Worrall und Mark Birkinshaw untersuchten mit weiteren vier Kollegen die Jets in der energiereichen Radiogalaxie 3C270 (auch als NGC 4261 bekannt). Bei dieser Quelle liegen die hellsten Regionen der Radiostrahlung dem galaktischen Kern mit dem Schwarzen Loch am nächsten (bei dem anderen verbreiteten Typ von Galaxie mit Radiojets finden sich die hellsten Regionen am weitesten entfernt vom Zentrum). Die projizierte Länge beträgt in dieser Quelle für die Keulen bei deren größter Ausdehnung etwa 250.000 Lichtjahre. Die Forscher benutzten neue und archivierte Beobachtungen im Radiobereich der Keulen, aufgenommen bei zwölf verschiedenen Wellenlängen, und verknüpften diese mit Beobachtungen im Röntgenbereich, um überall in den Keulen den Emissionsmechanismus genauer als zuvor zu modellieren. Die Daten aus den vielen Wellenlängenbereichen erlaubten den Wissenschaftlern zu kartieren, wie sich die Eigenschaft der Strahlung (d.h., ihre relative Stärke bei verschiedenen Wellenlängen) ändert und diese Änderungen nachzustellen. Sie folgern, daß die beiden Keulen ungefähr 29 bzw. 37 Millionen Jahre alt sind und dies steht im Widerspruch zur herkömmlichen Auffassung, daß die Keulen etwa doppelt so alt sind; der höhere Wert beruht auf dynamischen Modellen. Die Wissenschaftler folgern zudem, daß die Keulen das Ergebnis mehrerer Aktivitätsausbrüche in der Nachbarschaft des Schwarzen Lochs sind. Die zum Erhitzen dieser Keulen benötigte Gesamtenergie ist gewaltig, annähernd dem gesamten Energieausstoß der Sonne über einen Zeitraum von einer Million Milliarde Jahre – dies ist mehr als das Alter des Universums.
Literatur:
„New Insights into the Evolution of the FR I Radio Galaxy 3C 270 (NGC 4261) from VLA and GMRT Radio Observations”
Konstantinos Kolokythas, Ewan O’Sullivan, Simona Giacintucci, Somak Raychaudhury, C. H. Ishwara-Chandra, Diana M. Worrall, and Mark Birkinshaw
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 450, 1732–1744 (2015)