Bahnumkehr in Exoplanetensystemen

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Künstlerische Umsetzung des Exoplanetensystems Formalhaut. Der Planet Formalhaut b weist eine stark elliptische Umlaufbahn auf, deren Exzentrizität etwa zehn Mal größer ist als die der Umlaufbahn der Erde. Astronomen am CfA haben gezeigt, daß Planetensysteme mit mehreren Planeten und mit stark exzentrischen Umlaufbahnen die Richtung der Umlaufbahn eines der Planeten plötzlich umdrehen können. NASA / ESA / A. Feild (STScI)


 
Die Umlaufbahnen der Planeten in unserem Sonnensystem sind fast kreisförmig (Kepler sprach sich für ihre in Wahrheit elliptischen Bahnen aus). Diese nahezu kreisförmige Eigenschaft mit gemeinschaftlichem Mittelpunkt hilft, das Sonnensystem stabil zu halten, denn stark elliptische Umlaufbahnen könnten Planeten gelegentlich so dicht zusammenführen, daß ihre gravitativen Wechselwirkungen ihre Bahnen stören. Die Abweichung einer Umlaufbahn von ihrer Kreisform wird durch ihre Exzentrizität ausgedrückt, eine Größe, die sich aus der geringsten Entfernung eines Planeten von der Sonne im Vergleich zu seiner größten Entfernung ergibt (dies hilft, die jährlichen Änderungen der Sonneneinstrahlung zu bestimmen); die Exzentrizität der Erde ist mit 0.0167 klein und im Dezember ist die Erde nur etwa 3% näher an der Sonne als im Juni.
Die nördliche Hemisphäre ist im Dezember (nicht Juni) kälter, weil die Rotationsachse der Erde in Bezug auf ihre Umlaufbahn geneigt und im Dezember der Nordpol geringfügig von der Sonne wegorientiert ist. Der Wert dieser Neigung (auch „Schräge der Erdachse“ genannt) beträgt 23.4 Grad und ist vermutlich bei einem katastrophalen Zusammenprall zwischen der Erde und einem anderen großen Körper vor etwa 4.5 Milliarden Jahren entstanden. Man vermutet zudem, daß der Einschlag auch den Mond bildete, dessen Anwesenheit bei der Stabilisierung der Erdachsenneigung eine wichtige Rolle spielt, da diese sonst schwanken könnte. Beispielsweise besitzt Mars keinen großen Mond und seine schräg stehende Achse – gegenwärtig 25 Grad – taumelt bis zu einigen zehn Grad auf Zeitskalen von nur Jahrhunderttausenden; dies treibt auf dem Planeten tiefgreifende Klimaveränderungen an, die in der Struktur seiner polaren Eiskappen gefunden wurden. Exzentrizität und Achsneigung sind daher wichtige planetare Größen und sie sind nicht notwendigerweise gleich bleibend, sondern können sich mit der Zeit ändern.
Es gibt derzeit 1783 bestätigte Exoplaneten und aus dieser Gruppe besitzen schätzungsweise einundvierzig Exzentrizitäten, die ähnlich der Erde oder kleiner sind. Die anderen Exoplaneten haben größere Werte – manchmal viel größer, wobei man von einigen Planeten weiß, daß sich ihre Entfernungen zum Stern periodisch um das zehnfache oder mehr ändern. Die Astronomen Gongjie Li, Smadar Naoz, Bence Kocsis und Abraham Loeb vom CfA haben untersucht, was mit einem System aus drei oder mehr Körpern (zum Beispiel ein Stern mit zwei Planeten) geschieht, wenn die Umlaufbahnen elliptisch sind (und/oder wenn einige andere Bedingungen gelten). Sie wurden teilweise zu ihrer Untersuchung durch die Tatsache angeregt, daß in einigen ungewöhnlichen exoplanetaren Systemen ein Planet den Stern gleichsam entgegen dessen Drehrichtung umkreist; in anderen Systemen umläuft der Planet den Stern in dessen Drehrichtung, aber die Drehrichtung des Planeten (seine Achsneigung) beträgt 180 Grad und sein Nordpol somit nach „unten“ zeigt.
Die Astronomen zeigen, daß die gravitativen Störungen, die auf nahe Begegnungen in Systemen mit elliptischen Umlaufbahnen zurückgeführt werden können, komplexe Prozesse verursachen können, die in solch seltsamen Verhalten enden. Sie beschreiben einen bis dahin unbekannten Mechanismus, wonach solche Wechselwirkungen in einer relativ kurzen Zeitspanne (nur einige tausend Jahre!) den Planeten vollständig von normaler Rotation in eine gegenläufige Rotation umdrehen können. Die neue Arbeit hilft nicht nur zu klären, weshalb einige Exoplanetensysteme so sonderbar sind, sie liefert auch neue Einsichten in die planetenbildenden Prozesse und hilft uns dabei, unser eigenes Planetensystem zu würdigen.
Literatur:
“Eccentricity Growth and Orbit Flip in Near-Coplanar Hierarchical Three-Body Systems”
Gongjie Li, Smadar Naoz, Bence Kocsis und Abraham Loeb
The Astrophysical Journal, 785:116 (8pp), 2014 April 20