Auffinden ferner Radiogalaxien mittels Gravitationslinseneffekt

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Eine Aufnahme des Hubble-Weltraum-Teleskops von fernen, hellen Radiogalaxien, die durch Gravitationslinsenwirkung eines im Vordergrund gelegenen, riesigen Galaxienclusters verstärkt wurden. Die roten Konturlinien zeigen die Radiostrahlung dieser Galaxien, die aus einer Zeit von ungefähr drei Milliarden Jahren nach dem Urknall stammen. Ein Team aus Astronomen für Röntgenastronomie nutzte diese durch Gravitationslinsenwirkung verstärkten Radiogalaxien, um von fernen Galaxien die mit supermassereichen Schwarzen Löchern besetzten aktiven Kerne zu identifizieren und zu untersuchen.
NASA, HST und van Weeren et al.


 
Ein Galaxiencluster ist eine durch die Schwerkraft aneinander gebundene Ansammlung von hunderten oder sogar tausenden Galaxien, deren Masse als eine Gravitationslinse wirkt, um das Licht von noch weiter entfernt gelegenen Objekten zu sammeln und wieder abzubilden. Diese als Linse wirkenden Cluster sind ausgezeichnete Ziele für astronomische Erkundungen in das frühe Universum, da sie die schwache Strahlung von noch ferneren, hinter ihnen gelegenen Galaxien verstärken und diese entfernten Objekte für unsere Teleskope zugänglich machen. Am meisten ist bisher im optischen, nah-infraroten oder Submillimeter-Wellenlängen nach linsenverstärkten Galaxien gesucht worden und letztgenannter Wellenlängenbereich ist bei der Erkennung leuchtkräftiger, staubreicher Galaxien aus früheren kosmischen Zeitaltern erfolgreich gewesen. Diese Galaxien werden von Sternentstehungsausbrüchen, die zur damaligen Zeit viel häufiger waren, mit Energie versorgt.
Röntgenastronomen untersuchen die gewaltigen Jets und hochenergetischen Teilchen um die Schwarzen Löcher in den Kernen von aktiven Galaxien (genannt active galactic nuclei = AGN). Röntgenstrahlung beobachtet man auch bei Galaxien, in denen Sternbildung beherrschend ist, aber die Strahlung ist viel schwächer als bei Galaxien mit einem AGN, und daher sind Galaxien, in denen die Sternbildung Auslöser der Röntgenstrahlung ist, schwer zu untersuchen, wenn sie sich in kosmologischen Entfernungen befinden. Selbst bei Durchmusterungen mit Unterstützung von Linseneffekten kann die Suche nach entfernten Beispielen schwierig sein, und wenn die Sternbildungsaktivität niedrig ist, wird nicht einmal erwartet, daß bei der Suche mit infraroten Linseneffekten Galaxien mit Sternbildung erkennbar werden. In galaktischen Kernen strahlen die gleichen sich schnell bewegenden Teilchen, die Röntgenlicht abgeben, auch Radiowellen ab. Daher ist eine Suche nach Linseneffekten bei Radiostrahlung ein Weg, um ferne, lichtschwache Galaxien und ihre Kerne mit Schwarzen Löchern zu untersuchen.
Die Astronomen Reinout van Weeren, G. Ogrean, Christine Jones, Bill Forman, Felipe Andrade-Santos, E. Bulbul, Lawrence David, Ralph Kraft, Steve Murray (verstorben), Paul Nulsen, Scott Randall und Alexey Vikhlinin vom CfA haben mit ihren Kollegen eine Radiodurchmusterung des großen, unter der Bezeichnung MACS J0717.5+3745 bekannten Galaxienclusters beendet. Diese Galaxiengruppe, eine der größten und komplexesten, die man kennt, mit dem Äquivalent an über zehntausend Galaxien von der Größe unserer Milchstraße, ist ungefähr fünf Milliarden Lichtjahre entfernt.
Die Astronomen nutzten das Jansky Very Large Array, um damit in diesem Cluster Jagd auf Linseneffekte bei Radioquellen zu machen und entdeckten einundfünfzig kompakte Galaxien – sieben, deren Licht durch den Cluster um mehr als einen Faktor zwei und bis zu einem Faktor neun verstärkt zu sein scheint. Die Wissenschaftler leiten aus der Stärke der Radiostrahlung ab, daß die meisten dieser sieben Galaxien neue Sterne in einer mäßigen Rate von zehn bis fünfzig pro Jahr bilden, und datieren die Galaxien auf etwa drei Milliarden Jahre nach dem Urknall. Zwei wurden auch im Röntgenbereich durch das Chandra-Röntgen-Observatorium gemessen und beherbergen somit einen AGN, von denen jeder im Röntgenbereich so viel Licht abstrahlt wie eine Milliarde Sonnen. Die beiden AGN sind jeder für sich schon interessant, doch beide in dieser einen Region zu finden deutet darauf hin, daß diese AGN damals ebenfalls, wie die hellen sternbildenden Galaxien, weiter verbreitet waren.
Literatur:
„The Discovery of Lensed Radio and X-ray Sources Behind the Frontier Fields Cluster MACSJ0717.5+3745 with the JVLA and Chandra“
R. J. van Weeren, G. A. Ogrean, C. Jones, W. R. Forman, F. Andrade-Santos, A. Bonafede, M. Brüggen, E. Bulbul, T. E. Clarke, E. Churazov, L. David, W. A. Dawson, M. Donahue, A. Goulding, R. P. Kraft, B. Mason, J. Merten, T. Mroczkowski, S. S. Murray, P. E. J. Nulsen, P. Rosati, E. Roediger, S. W. Randall, J. Sayers, K. Umetsu, A. Vikhlinin, and A. Zitrin
The Astrophysical Journal, 817:98 (13pp), 2016 February 1