Astronomie ohne Teleskop – Nur kein Festmahl damit anrichten


Man sollte immer sein altes Tafelgeschirr wegräumen, wenn Astronomen in der Nähe sind. Es beginnt völlig harmlos mit: Stell Dir vor, dieses Weinglas ist die sich um ihre Achse drehende Erde… Aber dann beschliesst jemand, dass die grosse Fleischplatte genau das richtig ist, um die Ausrichtung einer Bahnebene zu zeigen und mehr Weingläser werden gebracht, um eine Lösung des Dreikörperproblems zu testen und…
Ich beginne bevorzugt mit dem ganzen Tisch, um so die galaktische Ebene darzustellen – idealerweise mit einer nach oben gerichteten, breitrandigen Suppenschüssel in der Tischmitte, um das galaktische Zentrum nachzustellen. Nun nimmt man einen Teller, der die Bahnebene des Sonnensystems darstellt und hält ihn mit einem gegen die Waagrechte geneigten Winkel von 63° in Richtung des galaktischen Zentrums. Wir wissen, dass die äquatorebene der Milchstrasse um 63° gegen die Ekliptik geneigt ist… oder eben umgekehrt, da wir ja die galaktische Ebene (Tisch) waagrecht stehen haben. Das bedeutet, dass der galaktische Nordpol gegen die Zimmerdecke zeigt – und nebenbei eine Linie, die wir aus dem galaktischen Zentrum nach Norden (sprich oben) ziehen, ziemlich dicht an Arktur vorbeiläuft. (Bei dieser imaginären Linie handelt es sich um die galaktischen Achse.)
Nun zur Erde. Weingläser geben ein hervorragendes Erdmodell ab. Der Stiel kann die Rotationsachse der Erde darstellen, darüber hinaus ist das Glas rund und man kann durch das Glas auf Objekte schauen, so als ob man auf der Oberfläche des Glases stehen würde.
Betrachtet man das Sonnensystem (der Teller) von Norden, der vom galaktischen Zentrum (Suppenschüssel) wegorientiert ist, rotiert das Sonnensystem in der Realität gegen den Uhrzeigersinn. Hält man das Weinglas oben auf dem Teller – gibt das die Lage der Erde ungefähr im September wieder; bewegt man das Glas nach links, kommt man zur Lage im Dezember. Dreht man das Glas unter den Teller, kommt man zum März, um an der rechten Seite den Monat Juni zu erreichen.
Dreht man das Glas dann wieder nach oben, gelangt man zum September zurück. Man hält den Teller mit 63° Versatz zum Tisch und nun hält man das Weinglas um 23.5° zum Teller geneigt. Vermutlich haben wir den Winkelmesser zu Hause vergessen – aber kein Problem, den unser Weinglasstiel wird fast parallel zum Tisch ausgerichtet sein – da 63° + 23.5° fast 90° ergibt. Mit anderen Worten, die Erdachse steht nahezu senkrecht zur galaktischen Achse.
Der Umfang an unterschiedlichen Ausrichtungen, die für uns zugänglich sind. Die Rotationsachse der Erde (dargestellt durch den Himmelsäquator, im Bild mit ‚celestial equator‘ bezeichnet) steht nahezu senkrecht zur Bahnebene der Galaxis.

Man sollte sich aber vorstellen, dass der Teller in den Tisch eingebettet ist, denn man sieht immer über das ganze Jahr hindurch bei Nacht einen Teil der Milchstrasse. In jedem Fall gibt aber das Weinglas eine gute Anschauung davon, warum man auf der Südhalbkugel einen solch brillanten Blick auf das galaktische Zentrum im Sternbild Sagittarius erhält. Um den März herum ist es durch das Tageslicht verborgen – aber im abendlichen September, kann man die Milchstrasse von Nord nach Süd über den Himmel ziehen sehen und Sagittarius steht fast direkt über dem Kopf. Arktur ist nun über dem westlichen Horizont zu sehen, etwa dort, wo die nördliche Achse der Galaxis hinweist (die Zimmerdecke über der Tischmitte).
Blickt man hingegen nach Norden, kann man die Wega gerade über dem Horizont sehen – was mehr oder weniger die Flugrichtung ist, die das Sonnensystem (Teller) auf seinem Umlauf im Uhrzeigersinn um die Galaxis (Tisch) einnimmt.
Nun, was zudem wichtig ist, wenn man den Mond hinzufügt… na ja – so viel Neues bringt das dann wohl doch nicht, oder?
Von Steve Nerlich in Universe Today. übersetzt von Harald Horneff