Astronomie ohne Teleskop – Gibt es Zeit wirklich?

Zeit ist eine Illusion, durch den Gang der Geschichte verursacht (Douglas Adams 1952-2001)
Wie mit Zeit umgegangen werden soll, steht im Zentrum einer tiefen Spaltung in der heutigen Physik. Sowohl in der klassischen Newtonschen Physik als auch in der Quantenmechanik ist Zeit absolut, ein universeller Taktmesser, der es ermöglicht festzustellen, ob Ereignisse gleichzeitig oder nacheinander stattfinden. Dagegen ist in der Physik Einsteins Zeit nicht absolut – ob Ereignisse gleichzeitig oder nacheinander stattfinden, hängt vom Beobachter ab. Für Einstein ist die Lichtgeschwindigkeit (im Vakuum) unveränderlich und Zeit ändert sich in jede Richtung, um die Lichtgeschwindigkeit in allen Bezugssystemen konstant zu halten.
Nach der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) könnte man 70 Jahre leben, unabhängig davon, wo man lebt oder wie schnell man sich bewegt, doch Dritte könnten eine ganz andere Zeitspanne messen. Aber sogar in der ART müssen wir bedenken, ob Zeit nur für ein Bewußtsein Bedeutung hat, das in einer Welt der Unterlichtgeschwindigkeit existiert. Würde ein Photon Bewußtsein besitzen, dürfte es Zeit nicht erfahren – und aus seiner Sicht würde es die 100.000 Lichtjahre messende Milchstraße in einem einzigen Augenblick durchqueren. Ist dann Raum noch echt?
Die Quantenmechanik erfordert (wenn auch nur manchmal) absolute Zeit – am deutlichsten bei der Quantenverschränkung, wo durch die Bestimmung des Spins des einen Teilchens der Spin seines verschränkten Partners sofort und gleichzeitig festgelegt wird. Läßt man die verwirrenden Rätsel beiseite, die auf dieser sofortigen Fernwirkung beruhen – die gleichzeitige Natur des Ereignisses deutet die Existenz einer absoluten Zeit an.
Bei dem Versuch, ART und Quantenmechanik in Einklang zu bringen, verschwindet Zeit – in der Wheeler-DeWitt-Gleichung für Quantengravitation – gänzlich. Nur ganz wenige sehen dies als einen 100-prozentigen erfolgreichen Vorstoß an, ART und Quantenmechanik zu versöhnen. Dennoch bringt dieser Gedankengang das „Problem der Zeit“ ins Bewußtsein, wenn man versucht, eine Theorie für Alles (auch Theory of Everything = ToE genannt) zu entwickeln.
Die siegreichen Einsendungen zu einem 2008 vom Fundamental Questions Institute ausgeschriebenen Wettbewerb über die Natur der Zeit könnte grob in die Themengruppen „Zeit ist echt“, „Zeit ist nicht echt“ und „Zeit ist zum Zubereiten eines Abendessens nützlich“ eingeteilt werden.
Die Vertreter der Gruppe „Zeit ist nicht echt” verfechten die Auffassung, daß Zeit einfach ein Abfallprodukt bei dem ist, was das Universum treibt (von der Erdrotation bis zum Feinstrukturübergang eines Cäsiumatoms – alles Dinge, mit denen wir unsere Uhren eichen).
Auch verweisen die Verfechter dieser Gruppe auf den Versuch von Boltzmann, der den Pfeil der Zeit dadurch zu verharmlosen suchte, daß er davon ausging, wir würden nur in einer lokalen Tasche des Universums leben, wo zufallsbedingt die Entropie eine abwärts gerichtete Bewegung zeigt. Dadurch ist der von uns wahrgenommene, vorwärts gerichtete Pfeil der Zeit nur ein Ergebnis des zum Gleichgewicht zurückkehrenden Universums – in ein Stadium höherer Entropie, wo es sehr kalt ist und der größte Teil der vergänglichen Materie, auf dem wir unser Leben verbracht haben, verdampft ist. Es ist vorstellbar, daß irgendwo sonst im Universum eine anders geartete Fluktuation auch leicht einen Pfeil ergeben könnte, der in die andere Richtung zeigt.
Bild: Zeitpfeil
Wie die Rückkehr zum Gleichgewicht nach einer zufallsbedingten, abwärts gerichteten Fluktuation der Entropie aussehen könnte. Zuerst gab es Licht, dann ereigneten sich viele, viele Dinge, bis es dann im Universum anfängt, kalt und dunkel und leer zu werden.
Fast jeder stimmt der Aussage zu, daß Zeit vermutlich außerhalb unseres im Urknall entstandenen Universums nicht existiert und die Raumzeit könnte eine Eigenschaft der Quantenmechanik sein, die spontan als neue Eigenschaft durch das Zusammenspiel der beiden Elemente Raum und Zeit im Urknall entsteht. Legen wir uns so fest, müssen wir einfach nur die Mathematik ändern.
Zeit ist das Feuer, in dem wir brennen (Soran, Bösewicht in Star Trek, etwa 24. Jahrhundert)
Von Steve Nerlich in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff