Untersuchung der Schwerkraft

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Der Satellit Gravity Probe B. Eine Serie neuer Arbeiten beschreibt die wichtigen astronomischen Ergebnisse dieser Mission, die Einsteins relativistischen Frame-Dragging-Effekt gemessen hat. NASA / Stanford


 
Einsteins Relativitätstheorie ist nicht nur außergewöhnlich, weil sie so erfolgreich im Erklären scheinbar seltsamer Beobachtungen (wie das Beugen von Sternlicht) ist oder ein schlüssiges Bild der Natur geliefert hat. Diese Ergebnisse würde man von jeder guten Theorie erwarten. Die Relativitätstheorie ist darüber hinaus bemerkenswert, da sie gezeigt hat, daß sich das Universum ganz und gar nicht nach einer auf Intuition beruhenden Art (zumindest für Menschen) verhält: die Zeit dehnt sich, Längen ziehen sich zusammen, die Schwerkraft krümmt den Raum und die Masse ist mit der Energie über die Beziehung E=mc2 verknüpft. Unser sogenannter „gesunder Menschenverstand“ ist manchmal schlichtweg falsch.
Und so ist es nicht verwunderlich, daß Astronomen ständig die Relativitätstheorie testen, um zu sehen, ob all ihre Bestandteile perfekt zusammenspielen oder ob einige Korrekturen notwendig sein könnten, die sogar unser grundlegendes Verständnis von Raum und Zeit ändern könnten. Eine ihrer seltsameren, nicht intuitiv erfassbaren Vorhersagen besagt, daß der Raum nicht nur durch die Gravitation eines massereichen Körpers eine Krümmung erfährt – er wird auch (zu einem geringeren Grad) bei der Rotation eines Körpers mitgezogen, der sogenannte „Frame-Dragging-Effekt“. Der Wert dieser ungewöhnlichen Vorhersage der Relativitätstheorie ist klein und äußerst schwer zu messen. Wie klein ist der Wert? Die Achse eines präzedierenden Kreisels bildet einen Kreis, das heißt 360 Grad. Nach Einsteins Theorie würde die Achse eines die Erde umlaufenden Kreisels (wie in dem nachfolgend beschriebenen Experiment) wegen des Frame-Dragging-Effekts um 11 Millionstel eines Grades pro Jahr präzedieren – in der Tat sehr winzig.
2004 startete die NASA die Mission Gravity Probe B, ein hochgestecktes Experiment, in erster Linie an der Stanford Universität entwickelt, um diese winzige, aber entscheidend wichtige Vorhersage zu testen; an der Mission waren auch Astronomen des CfA beteiligt. Im Jahr 2011 gab dann das NASA / Stanford Team seine Schlußfolgerung bekannt: keine Unstimmigkeit mit der Relativitätstheorie. In einer Serie von sieben Arbeiten, diesen Monat im Band 201, Nummer 1 des Astrophysical Journal Supplement veröffentlicht, sind die vielen astronomischen Probleme, die mit der Untersuchung einhergehen, in allen Einzelheiten dargestellt. In der Übersichtsarbeit behandeln die Wissenschaftler Irwin Shapiro, Daniel Lebach und Michael Ratner vom CfA sowie vier weitere Kollegen die entscheidende Frage, wie die winzige vorhergesagte Präzession zu messen ist.
Schlüssel für das Experiment war ein Leitstern, der das absolute Bezugssystem für den Satelliten und seine vier tiefgekühlten, supraleitenden „Gyroskope“ bildete. Das Experimentalteam wählte in den Planungsstadien den Stern IM Pegasi aus, da dieser im optischen wie im Radiobereich hell und an einem für den Satelliten günstig gelegenen Teil des Himmels steht. Mittels Techniken erdgebundener Very Long Baseline Radiointerferometrie, die sich auf entfernte Quasare bezog, starteten die Astronomen ein intensives, von 1997 bis 2005 laufendes, mehrjähriges Programm, um die Bewegung dieses Sterns am Himmel zu verfolgen. Alle Bewegungen des Sterns würden bei der Untersuchung mit in Rechnung gestellt werden müssen; ein zusätzliches Ergebnis würde die Entfernung des Sterns von der Erde sein.
In ihrer neuen Abhandlung schreibt die Gruppe, daß IM Pegasi 314.4 Lichtjahre entfernt liegt, bei einer Unsicherheit von ungefähr 2.2 Lichtjahren, und sich mit 34.3 Tausendstel einer Bogensekunde pro Jahr über den Himmel bewegt („Eigenbewegung“). Die neue Schriftenreihe mit der sorgfältigen Besprechung der vielen astronomischen Einflüsse, die für die Analyse in Rechnung zu stellen waren, kennzeichnet einen bedeutenden Schritt in dem Bemühen, Einsteins Theorie auf bisher unerreichtem Niveau an Genauigkeit zu untersuchen.