Sternentstehung in leuchtkräftigen, kollidierenden Galaxien

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Die wechselwirkenden Galaxien Messier 51A und B im infraroten Licht. In zwei neuen Arbeiten werden Computersimulationen mit Breitbandbeobachtungen des Herschel- und Spitzerteleskops sowie weiteren Datensammlungen verknüpft, um zu untersuchen, wie sich Leuchtkraft, Sternentstehung, Stauberwärmung und andere Effekte während einer Galaxienkollision entwickeln. NASA; L. Lanz


Vor nahezu dreißig Jahren entdeckte der Infrared Astronomy Satellite, daß das Universum viele unglaublich leuchtkräftige Galaxien enthielt, einige mehr als das tausendfache heller als unsere eigene Milchstraße, die aber bei optischen Wellenlängen so gut wie unsichtbar sind. Ausbrüche an Sternentstehung, tief in Wolken aus Staub und Gas eingebettet, versorgen diese Galaxien mit Energie; der Staub absorbiert das sichtbare Licht und strahlt es bei infraroten Wellenlängen ab.
Astronomen vermuten, daß in vielen Fällen die Überaktivität durch ein Zusammentreffen ausgelöst wurde, das den Kollaps von interstellarem Gas zu neuen Sternen erleichterte. Kollisionen zwischen Galaxien sind häufig. Die meisten Galaxien sind in der Tat vermutlich während ihres Daseins in eine oder mehrere Begegnungen verwickelt gewesen, was diese Wechselwirkungen zu einem wichtigen Abschnitt in der galaktischen Entwicklung und der Entstehung von Sternen im Universum macht. Die Milchstraße beispielsweise ist durch die Schwerkraft an die Andromeda-Galaxie gebunden und nähert sich ihr mit einer Geschwindigkeit von etwa 50 km/s; wir sollten mit ihr in ungefähr einer Milliarde Jahren zusammentreffen. Im lokalen Universum können derartige Begegnungen durch die auffälligen morphologischen Verzerrungen, die sie verursachen, leicht erkannt werden; dazu gehören etwa Gezeitenschweife, die aus den galaktischen Scheiben weit ins All hinausreichen. Doch nicht alle infraroten leuchtkräftigen Galaxien zeigen diese Verzerrungen und leuchtkräftige Galaxien im fernen Kosmos sind zu entfernt, um diese räumlichen Strukturen aufzuspüren (zumindest mit den heutigen Teleskopen). Aus diesem Grund versuchen Astronomen zu verstehen, wann und wie Kollisionen Sternentstehung anregen, ob diese Form der Sternentstehung der herkömmlichen Sternbildung ähnlich ist oder sich davon unterscheidet (vielleicht beispielsweise durch die Bildung massereicherer Sterne) und sie versuchen herauszufinden, ob neben den sichtbaren Formänderungen irgendeine Alternative diese Effekte ebenfalls beziffern kann.
Die Astronomen Lauranne Lanz, Andreas Zezas, Howard Smith, Matt Ashby, Giovanni Fazio, Lars Hernquist und Rafael Martinez-Galarza vom CfA haben mit ihren Kollegen neue Multi-Wellenlängen-Beobachtungen und Computersimulationen interagierender Galaxien miteinander verknüpft, um zu untersuchen, was dort abläuft. Sie legten besonderen Wert auf Ergebnisse im fernen Infrarotbereich durch das Herschel-Weltraum-Teleskop, das zum ersten Mal eine genaue Untersuchung der Bedingungen von warmem und kaltem Staub in diesen Objekten ermöglichte. Die von ihnen untersuchten Galaxien stammen aus einer Auswahl, die alle Stufen der Wechselwirkung einschließt, von frühen Stadien, bei denen die Störung gerade erst begonnen hat, bis in die Nähe der Endstadien, wenn die Auswirkungen der Kollision deutlich zu Tage treten.
Die Wissenschaftler präsentieren in zwei neuen Arbeiten ihre Schlußfolgerungen, der erste solch systematische Vergleich zwischen Beobachtungen und Simulationen zwischen wechselwirkenden Galaxien. Die erste Arbeit untersucht die Leistungsfähigkeit der Simulationen, die alles in allem nicht besser sein kann als die zu Grunde gelegte Physik. Die Folgerung ist, daß die Simulationen ziemlich gut sind, zumindest in Bezug auf die große Bandbreite an Wechselwirkung und deren Entwicklung mit der Zeit. Die Gruppe merkt zudem an, daß die Form des Spektrums alleine im Allgemeinen nicht ausreicht, um den momentanen Stand der Wechselwirkung festzulegen; dies bringt es mit sich, daß andere Messungen notwendig sein werden, um die Entwicklungsstadien der entfernten Galaxien einzugrenzen.
Die zweite Arbeit untersucht kritisch eine allgemein verwendete Methode zur Abschätzung der Sternentstehungsrate in Galaxien – man setzt sie, einfach mit der Leuchtkraft in Beziehung (der Gedanke dahinter ist: mehr Leuchtkraft bedeutet mehr Sternbildung). Die Autoren folgern aus den Simulationen, daß im Laufe der galaktischen Entwicklung nach einer Verschmelzung ihre infrarote Leuchtkraft eher durch Beiträge alter Sterne als durch neue beherrscht werden kann, eine Eigenschaft, die herkömmliche Modelle nicht genügend in Rechnung stellen. Dadurch überschätzt die Standardmethode üblicherweise die Sternentstehungsrate manchmal um den Faktor einhundert. Für die Zukunft geplante Arbeiten werden alternative Methoden vorschlagen, sowie genauer den Beitrag der Leuchtkraft von einem supermassereichen Schwarzen Loch im Kern in Betracht ziehen.
Literatur:
„Simulated Galaxy Interactions as Probes of Merger Spectral Energy Distributions“
Lauranne Lanz, Christopher C. Hayward, Andreas Zezas, Howard A. Smith, Matthew L. N. Ashby, Nicola Brassington, Giovanni G. Fazio, and Lars Hernquist
The Astrophysical Journal, 785:39 (20pp), 2014 April 10
„The Total Infrared Luminosity May Significantly Overestimate the Star Formation Rate of Recently Quenched Galaxies”
Christopher C. Hayward, Lauranne Lanz, Matthew L. N. Ashby, Giovanni Fazio, Lars Hernquist, Juan Rafael Martíınez-Galarza, Kai Noeske, Howard A. Smith, Stijn Wuyts, and Andreas Zezas
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 445, 1598–1604 (2014)