Massereiche Galaxien im frühen Universum (Originalartikel vom 02.02.2018)

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)

Die riesige Galaxie SPT0311-58, die auf nur 780 Millionen Jahre nach dem Urknall datiert wird. Dieses Falschfarben-Kompositbild verbindet Aufnahmen aus dem nahen Infrarot von Hubble (grün und blau) und aus dem Millimeter-Bereich von ALMA (rot). Mit ungefähr 100 Milliarden Sonnenmassen beobachtet man, wie diese Galaxie aus der Frühgeschichte des Universums mit einer masseärmeren Nachbarin verschmilzt und Sterne mit einer Rate von 2.900 Sonnenmassen pro Jahr hervorbringt. Marrone et al. 2018


Das Südpol-Teleskop (SPT), ein in der Antarktis stehendes Teleskop mit 10 Meter Durchmesser, wird seit einem Jahrzehnt für Millimeter- und Submillimeter-Wellen betrieben; das CfA ist ein Mitglied dieses Gemeinschaftsprojekts. In den vergangenen sechs Jahren hat es den Himmel auf der Suche nach Galaxien aus den ersten Milliarden Jahren der kosmischen Geschichte durchmustert; sie sollen bevorzugt bei diesen Wellenlängen nachweisbar sein, da deren Staub durch das ultraviolette Licht junger Sterne erwärmt worden ist. Bei einer der Entdeckungen des SPT, der Galaxie SPT0311-58, hat sich bei genauerer Untersuchung herausgestellt, daß sie aus einer Zeit von nur 780 Millionen Jahre nach dem Urknall stammt. Es ist der entfernteste bekannte Fall dieser vermuteten, doch bislang nicht entdeckten Population von optisch schwachen, aber im Infraroten leuchtkräftigen Ansammlungen.
Die CfA-Astronomen Chris Hayward, Matt Ashby und Tony Stark gehören zum SPT-Team, das SPT0311-58 entdeckte und dann mit dem Spitzer-Weltraum-Teleskop, dem ALMA Array, dem Hubble-Weltraum-Teleskop und dem optisch/infraroten Gemini-Teleskop weiter untersuchte. Das Team konnte die Entfernung und das Zeitalter des Clusters aus der Rotverschiebung seiner spektralen Merkmale, darunter auch eine Linie von ionisiertem Kohlenstoff, bestimmen und die gesamten Strahlungseigenschaften über einen breiteren Wellenlängenbereich beschreiben. Die Spitzer- und Hubble-Bilder der Strahlungsquelle offenbarten eine Vordergrundgalaxie, die als Gravitationslinse wirkt, dadurch die Intensität von SPT0311-58 verstärkt und ihre Entdeckung erheblich erleichterte. Bei den ALMA-Messungen mit hoher räumlicher Auflösung entdeckte man, daß die eigentliche Quelle in Wahrheit aus zwei Galaxien besteht, die weniger als 25.000 Lichtjahre voneinander getrennt sind. Die Folgerung ist, daß diese beiden Galaxien sich mitten in einer Kollision befinden.
Die Massen der beiden Galaxien betragen ungefähr einhundert Milliarden beziehungsweise zehn Milliarden Sonnenmassen. Die größere ist massereicher als jede andere bekannte Galaxie aus dieser frühen Zeit der kosmischen Entwicklung, ein zeitlicher Abschnitt, während dem sich viele Galaxien gerade gebildet haben sollen, und sie ist sehr hell, denn sie bringt mit einer Rate von 2.900 Sonnenmassen pro Jahr neue Sterne hervor (tausende Mal schneller als die Milchstraße). Auch wenn heutige Modelle der kosmischen Entwicklung die Existenz solch riesiger Systeme zu dieser frühen Zeit nicht ausschließen, treibt diese Beobachtung die Modelle an ihre Grenzen. Die Ergebnisse besagen zudem, daß dort ein Halo aus Dunkler Materie mit mehr als 400 Milliarden Sonnenmassen vorkommen sollte, was ihn zu einem der seltensten Halos aus Dunkler Materie macht, die im Universum dieser Epoche existieren würden.
Literatur:
„Galaxy Growth in a Massive Halo in the First Billion Years of Cosmic History“
D. P. Marrone, J. S. Spilker, C. C. Hayward, J. D. Vieira, M. Aravena, M. L. N. Ashby, M. B. Bayliss, M. Béthermin, M. Brodwin, M. S. Bothwell, J. E. Carlstrom, S. C. Chapman, Chian-Chou Chen, T. M. Crawford, D. J. M. Cunningham, C. De Breuck, C. D. Fassnacht, A. H. Gonzalez, T. R. Greve, Y. D. Hezaveh, K. Lacaille, K. C. Litke, S. Lower, J. Ma, M. Malkan, T. B. Miller, W. R. Morningstar, E. J. Murphy, D. Narayanan, K. A. Phadke, K. M. Rotermund, J. Sreevani, B. Stalder, A. A. Stark, M. L. Strandet, M. Tang, & A. Weiß
Nature, 553, 51, 2018
oder
arXiv:1712.03020 [astro-ph.GA]