Eine ausgedehnte Gammastrahlenquelle ohne ein bekanntes Gegenstück

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Teleskope des Gammastrahlen-Observatoriums VERITAS (Very Energetic Radiation Imaging Telescope Array System), photographiert gegen die Sterne des Sternbild Leo. Astronomen haben VERITAS eingesetzt, um eine Gammastrahlenquelle zu untersuchen, die bei anderen Wellenlängen kein bekanntes Gegenstück besitzt. P. K. Chen


Gammastrahlen sind die energiereichste bekannte Form elektromagnetischer Strahlung, wobei jedes Gammaphoton mindestens einhunderttausend Mal energiereicher als ein optisches Photon ist. Die stärksten Gammastrahlen, die sogenannten VHE-Gammastrahlen (very high energy), besitzen Energien, die eine Milliarde Mal oder noch höher sind. Astronomen vermuten, daß VHE-Gammastrahlen in der Umgebung von Winden oder Jets kompakter, ultradichter Aschereste massereicher Sterne, den Hinterlassenschaften von Supernovae-Explosionen, entstehen.
Es gibt zwei Spielarten kompakter Objekte, die bei Supernovae entstehen: Schwarze Löcher und Neutronensterne (Sterne, die hauptsächlich aus Neutronen bestehen und die Dichten besitzen, die der Sonnenmasse, zusammengepreßt in einem Volumen von ungefähr 10 km im Radius, entsprechen). Die Winde oder Jets aus der Umgebung solcher Objekte, einschließlich der Pulsare, können geladene Teilchen bis nahe an die Lichtgeschwindigkeit beschleunigen. Das an solchen Partikeln gestreute Licht erhält dabei Energien, manchmal bis hin zur VHE-Gammastrahlung. Zumindest ist dies heute die gängigste Theorie. Eine der ersten bekannten VHE-Quellen wurde vor ungefähr 15 Jahren in Richtung des Sternbilds Schwan entdeckt. Sie war ungewöhnlich, den im Gegensatz zu anderen bekannten VHE-Quellen, die eine bei optischen, Radio- oder anderen Wellenlängen sichtbare Entsprechung aufweisen, fand man für diese neue Quelle kein bekanntes Gegenstück. Doch ohne weitere zugängliche Information war seine genaue Natur rätselhaft.
Unlängst wurde in der Nähe der Quelle ein Pulsar entdeckt, welches das Interesse an der Quelle neu belebte. Die CfA-Astronomen Wystan Benbow, Matteo Cerruti, Pascal Fortin, Nicola Galante, Emmet Thomas und Trevor Weekes haben als Mitglieder einer großen Arbeitsgruppe das Puzzle mittels des Gammastrahlen-Teleskops VERITAS (Very Energetic Radiation Imaging Telescope Array System) am Fred L. Whipple Observatorium in Arizona angepackt. Sie führten sehr lange, empfindliche Beobachtungen der VHE-Quelle im Schwan durch und es war ihnen erstmals möglich, die Lage genauer zu bestimmen und zu ermitteln, daß die Strahlung nicht punktförmig, sondern leicht ausgedehnt und von asymmetrischer Form war. Die Astronomen folgerten aus mehreren Gründen, daß der neu entdeckte Pulsar vermutlich nicht der Ursprung der VHE-Strahlung ist.
Bemerkenswert ist, daß auch nach der verbesserten Ortsbestimmung Aufnahmen bei anderen Wellenlängen keinerlei Punktquellen zeigen. Auf Infrarot-Aufnahmen zeichnet sich das Gebiet jedoch durch die Tatsache aus, daß jegliche durch Staub verursachte Strahlung fehlt und daher dunkel erscheint, während die Umgebung im Licht von kaltem Staub strahlt. Das dunkle Gebiet ist von nahezu gleicher Form wie die Gammastrahlenregion – dies macht die Quelle noch rätselhafter als zuvor. Wenn das Objekt dennoch ein lichtschwacher Pulsar wäre, dessen Wind die VHE-Gammastrahlung erzeugt, könnte er einigen Modellen zufolge auch allen örtlichen Staub weggeblasen und den Hohlraum hervorgebracht haben, der im Infraroten sichtbar ist. Weitere Untersuchungen sind notwendig, um dieses verblüffende Objekt zu verstehen, doch die heutige Veröffentlichung, mit ihrer Empfindlichkeit und ihren Ergebnissen zur räumlichen Auflösung, stellt einen bedeutenden Fortschritt auf dem Feld der Gammastrahlen-Astronomie dar.
Literatur:
„Observations of the Unidentified Gamma-Ray Source TeV J2032+4130 BY VERITAS“
E. Aliu et al.
The Astrophysical Journal, 783:16 (9pp), 2014 March 1