Ein zu massereiches Schwarzes Loch im jungen Universum

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Künstlerische Darstellung des Chandra-Röntgen-Teleskops auf seiner Umlaufbahn um die Erde. Astronomen haben mit Chandra ein röntgenhelles, supermassereiches Schwarzes Loch nur zwei Milliarden Jahre nach dem Urknall ausgemacht. Die Entdeckung scheint die gängige Meinung in Frage zu stellen, wie schnell sich derartige supermassereichen Schwarzen Löcher in Galaxien bilden können. NASA / Chandra


 
Astronomen stimmen im Allgemeinen der Auffassung zu, daß sich die Schwarzen Löcher in den Zentren von Galaxien gemeinsam mit ihren Heimatgalaxien entwickeln und das dies durch alle kosmischen Epochen hindurch gilt, von der Frühzeit nach dem Urknall bis heute. Dies besagt, daß während eine Galaxie an Masse zulegt, in der Regel durch Akkretion von Material aus dem intergalaktischen Medium (und vielleicht auch durch das Konsumieren anderer Galaxien), ihr Schwarzes Loch ebenfalls Materie akkretiert und wächst. Das Schwarze Loch ist in der Tat so massereich – womöglich bis zu 10 Prozent (!) der gesamten galaktischen Sternmasse – daß die Wachstumsprozesse der beiden miteinander in Beziehung stehen können, weil zum Beispiel das Schwarze Loch die Akkretion auf die Galaxie beeinflußt. Der Akkretionsprozess des Schwarzen Lochs kann weitere Folgen nach sich ziehen, wie etwa die Unterdrückung der Sternentstehung durch Aufheizen und/oder Zerstörung von in der Nachbarschaft gelegener Molekülwolken.
Diese Ideen zu überprüfen ist schwierig, da es die Messung der Eigenschaften von Schwarzen Löchern in kosmischen Zeitaltern erfordert, als das Universum nur wenige Milliarden Jahre alt war und bei den entsprechenden kosmischen Entfernungen selbst ultraleuchtkräftige Galaxien für uns lichtschwach erscheinen. Ein paar Untersuchungen aus jüngerer Zeit haben gezeigt, daß im Zeitalter um etwa drei Milliarden Jahre nach dem Urknall einige supermassereiche Schwarze Löcher sogar schneller wachsen als ihre Heimatgalaxien, aber diese Messungen wurden nur an besonders röntgenleuchtkräftigen Objekten durchgeführt, die vielleicht für die meisten Systeme nicht repräsentativ und deren Galaxienmassen sehr unsicher sind.
Neun Astronomen, darunter auch Francesca Civano, Martin Elvis und Hyewon Suh vom CfA, suchten mit dem Chandra-Röntgen-Observatorium und einem weiteren Röntgensatelliten, dem XMM-Newton der ESA, einen im Röntgenlicht hellen galaktischen Kern mit einem Schwarzes Loch nur etwa zwei Milliarden Jahre nach dem Urknall aus und beobachteten dann mit dem Keck-Teleskop das Schwarze Loch im infraroten Licht, um dessen ionisiertes Wasserstoffgas zu untersuchen, das ein Indikator für das Wachstum eines Schwarzen Lochs ist. Die Astronomen fanden, daß das Schwarze Loch in dieser Galaxie im Gegensatz zu den gängigen Modellen allem Anschein nach stärker gewachsen ist als die Galaxie selbst. Genau genommen ist es im Vergleich mit seiner Heimatgalaxie um das 50-fache massereicher als alles, was man mit Ausnahme der extremsten lokalen Beispiele findet – es ein Monstrum von sieben Milliarden Sonnenmassen. Die wichtige Folgerung ist, daß das Schwarze Loch auf diese Größe in einer sehr viel kürzeren Zeit als lokale Galaxien anwuchs, die dreizehn Milliarden Jahre Zeit für ihr Wachstum hatten. Die Galaxie scheint auch Sterne hervorzubringen, ohne daß irgendein Unterdrückungsmechanismus am Werk ist. Die neue Arbeit hinterfragt zum einen die herkömmliche theoretische Vorstellung und lenkt zum anderen die zukünftige Forschung auf die Untersuchung dieser fernen Röntgenungeheuer.
Literatur:
„An Over-Massive Black Hole in a Typical Star-Forming Galaxy, 2 Billion Years after the Big Bang“
Benny Trakhtenbrot, C. Megan Urry, Francesca Civano, David J. Rosario, Martin Elvis, Kevin Schawinski, Hyewon Suh, Angela Bongiorno, and Brooke D. Simmons
Science 10 Jul 2015: Vol. 349, Issue 6244, pp. 168-171