Ein Cluster von Röntgendoppelsternsystemen in der Nähe des galaktischen Zentrums (Originalartikel vom 29.06.2018)

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)

Eine Chandra-Aufnahme einer einige zehn Lichtjahre großen Region des Zentrums der Milchstraße. Rote und cyanfarbene Kreise sind Röntgenstrahlung aussendende Quellen, wobei letztere Doppelsternsysteme mit Schwarzen Löchern sind. Astronomen sind zu dem Schluß gekommen, daß diese Ergebnisse mit Entwicklungsmodellen von Galaxien in Übereinstimmung stehen, die zehntausende von Schwarzen Löchern vorhersagen, die sich in der Zentralregion der Galaxis angesammelt haben (die Beobachtungen erkennen in Binärsystemen nur die hellsten Schwarzen Löcher). NASA / Chandra


 
Ein Doppelsternsystem ist ein System, das aus einem Paar sich umkreisender Sterne besteht. Ein Röntgendoppelstern mit einem Schwarzen Loch ist ein Binärsystem, in dem einer der Sterne ein Schwarzes Loch und der andere ein normaler Stern ist. Wenn Materie von dem normalen Stern auf das Schwarze Loch akkretiert, werden geladene Teilchen, die Röntgenstrahlung abgeben, ausgestoßen und damit eine Identifikation dieser Objekte möglich gemacht. Das andere Extrem, die massereichsten bekannten Schwarzen Löcher, mit Millionen oder sogar Milliarden Sonnenmassen, existiert in den Zentren der meisten Galaxien, einschließlich unserer eigenen, und eine der fundamentalen Vorhersagen der Galaxienentwicklung ist, daß die gravitative Stärke eines im Kern gelegenen supermassereichen Schwarzen Lochs in seiner Umgebung zu einer dichten Ansammlung von Schwarzen Löchern führen sollte. Die Modelle sagen vorher, daß sich bis zu zwanzigtausend Schwarze Löcher in einem Volumen von wenigen Lichtjahren um das Zentrum unserer Milchstraße niedergelassen haben sollten. (Um einen Eindruck davon zu bekommen, wie extrem dieses Szenario ist, erinnere man sich, daß der zur Sonne nächstgelegene Stern, Proxima Centauri, 4.2 Lichtjahre entfernt ist.) Doch bislang ist keine solche Dichtespitze an Schwarzen Löchern gemessen worden.
Der einfachste Weg, ein Schwarzes Loch festzustellen ist, es in einem Röntgendoppelsternsystem aufzuspüren. In der Zeitschrift Nature (s.u.) schreiben der CfA-Astronom Jaesub Hong und fünf Kollegen, mit dem Archiv des Chandra-Röntgen-Observatoriums ein Dutzend Röntgendoppelsternsysteme in einer Dichtespitze im Umkreis von drei Lichtjahren vom galaktischen Zentrum identifiziert zu haben. In den letzten zwölf Jahren hat Chandra das Gebiet über 380 Stunden lang beobachtet. Die Forscher untersuchten Röntgenaufnahmen der Region um das supermassereiche Schwarze Loch im Bereich von 0.65 bis 12.4 Lichtjahren (die innerste Region hat zu viele verwirrende Quellen). Sie entdeckten 415 Punktquellen, die im Röntgenlicht strahlen, und nach sorgfältiger Berücksichtigung anderer möglicher Ursachen für jede dieser Punktquellen (Novae, ungewöhnliche Sterne, extragalaktische Hintergrundquellen, und weitere Möglichkeiten) kamen sie zu dem Schluß, daß dieses Dutzend Röntgendoppelsterne mit Schwarzen Löchern sind. Die Autoren betrachteten dann die Grenzen der Meßempfindlichkeit, die erwartete Häufigkeit von einzelnen Schwarzen Löchern im Verhältnis zu Schwarzen Löchern in Doppelsternsystemen und andere Unsicherheiten, um zu schließen, daß die beobachtete Anzahl in guter Übereinstimmung mit den allgemeinen Modellerwartungen steht. Allerdings weisen sie darauf hin, daß alternative Modelle der Galaxienentwicklung nicht gänzlich ausgeschlossen werden können. Einige der beobachteten Binärsysteme könnten das Ergebnis von einmaligen Ereignissen sein, beispielsweise, wenn ein Kugelsternhaufen und seine Schwarzen Löcher in die Region fallen.
Literatur:
„A Density Cusp of Quiescent X-Ray Binaries in the Central Parsec of the Galaxy“
Charles J. Hailey, Kaya Mori, Franz E. Bauer, Michael E. Berkowitz, Jaesub Hong & Benjamin J. Hord
Nature, 556, 70, 2018