Dunkle Energie ist jetzt etwas weniger dunkel

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
Im Winter 1997 versetzten zwei Teams von Astronomen, eines geführt von Wissenschaftlern des CfA, die Welt mit ihrer Mitteilung in Erstaunen, daß sich das Universum für immer ausdehnen würde. Schon kurze Zeit später ergänzten sie diese Überraschung mit Hinweisen, daß sich das Universum nicht nur ausdehnt, sondern es sogar beschleunigt expandiert. Ihre Beobachtungen beruhten auf Untersuchungen von Supernovae in Galaxien, die so weit entfernt sind, daß deren beobachteten Bewegungen primär auf den Expansionseigenschaften des Kosmos selbst beruhen.
Zwei Erklärungen werden häufig herangezogen, um die nach außen gerichtete Beschleunigung des Universums zu begründen. Der erste Erklärungsversuch unterstellt, daß, wie einst Einstein vermutete, die Gravitation selbst Objekte dazu bringt, sich gegenseitig abzustoßen, wenn sie weit genug voneinander entfernt sind. Diese Eigenschaft der Schwerkraft wird in der Allgemeinen Relativitätstheorie durch eine frei wählbare, gleichbleibende Größe beschrieben, die nicht durch Grundprinzipien gegeben ist und allgemein kosmologische Konstante genannt wird. Der zweite Erklärungsversuch stellt die Hypothese auf (basierend auf unserem gegenwärtigen Verständnis der Elementarteilchenphysik), daß das Vakuum Eigenschaften besitzt, die dem Kosmos Energie zur Ausdehnung bereitstellen. Diese Energie wurde „Dunkle Energie“ genannt, in poetischer Anspielung auf die Dunkle Materie, die Namensgeberin für jenes mysteriöse Material wurde, das kein Licht aussendet, sondern sich (bisher jedenfalls) nur durch seinen gravitativen Einfluß auf Galaxien bemerkbar macht. (Dunkle Materie ist dunkel, da sie kein Licht aussendet und seltsam ist; Dunkle Energie ist „dunkel“, allein weil sie rätselhaft ist.) Jede der beiden Erklärungen für die kosmische Beschleunigung der Expansion (die oft untereinander austauschbar als Dunkle Energie bezeichnet werden) hat ihren ganz eigenen Satz an zusätzlichen Auswirkungen, die dazu genutzt werden können, um zu prüfen, welche der Erklärungen (oder keine, oder beide) richtig ist.
Bei einer Pressekonferenz gaben die CfA-Astronomen Alexey Vikhlinin, Bill Forman, Christine Jones und Steve Murray gemeinsam mit sieben weiteren Kollegen spektakuläre neue Hinweise auf die Dunkle Energie bekannt (ihre Arbeit wird im Februar 2009 im Astrophysical Journal erscheinen). Sie untersuchten die Haufenbildung von zwei entfernten Galaxiengruppen mittels Röntgenbeobachtungen durch Chandra und ROSAT. Die beiden Galaxiengruppen verkörpern Schnappschüsse vom Universum, die etwa 4 Milliarden Jahre auseinander liegen; dies entspricht in etwa einem Drittel des Alters des Universums. Das Team nutzte hochentwickelte Computermodelle, um zu berechnen, wie sich Galaxien während dieser Zeitspanne zu Haufen zusammenballen sollten, wenn der beschleunigte Kosmos sie nicht auseinanderziehen würde. Die Gruppe macht aussagekräftige Hinweise in ihren Beobachtungen aus, daß die Haufenbildung tatsächlich bedeutend niedriger ist, aber in Übereinstimmung mit dem Vorhandensein von Dunkler Energie steht.
Die neuen Ergebnisse liefern den ersten unabhängigen, direkten Anhaltspunkt für die kosmische Beschleunigung seit ihrer ursprünglichen Entdeckung vor elf Jahren und die auf Supernovae in großen Entfernungen basierte. Mit wachsender Sicherheit kann jetzt gesagt werden, daß andere vermutete Erklärungen für die Supernova-Ergebnisse unwahrscheinlich sind; Vorschläge zum Beispiel, die darauf abzielen, die Relativitätstheorie von Einstein zu ändern. Die neuen Resultate engen erheblich die Möglichkeiten für grundlegende Aussagen zur kosmischen Ausdehnung ein. Dazu gehört die vermutete Masse eines sehr verbreitenden, aber schwer zu messenden Teilchens, dem Neutrino. Die Ergebnisse der Gruppe haben durch ihren Beitrag, die Natur der Dunklen Energie zu bestätigen und zu verdeutlichen, mitgeholfen, Dunkle Energie etwas weniger dunkel zu machen.