Die Funktionsweise eines Röntgen-Doppelsterns

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Ein schematisches Bild der aus zwei Einheiten bestehenden Röntgenquelle LMC X-3 (nicht maßstabsgerecht). Die Scheibe um das Schwarze Loch (rechts) wird durch Akkretion von Material aufgeheizt, das vom Stern (links) in die Scheibe fällt, während wiederum Röntgenemission der Scheibe den Begleitstern aufheizt. Astronomen sind in der Lage, diesen Prozess zu erklären, indem sie die Zeitverzögerung zwischen den infraroten und Röntgenflares nachbilden. Steiner et al.


 
Die als LMC X-3 bekannte helle Röntgenquelle liegt in der Großen Magellanschen Wolke, die Zwerggalaxie, die die nächste Nachbarin der Milchstraße ist. Vor zwei Jahrzehnten entdeckten Astronomen, daß die Quelle in Wirklichkeit ein Binärsystem ist, das aus einem normalen Stern besteht, der ein nah gelegenes Schwarzes Loch (dessen Masse bei etwa 2.3 Sonnenmassen liegt) in nur 1.7 Tagen umkreist. In Röntgendoppelsternsystemen wie diesem stürzt Material von dem normalen Stern auf eine um das Schwarze Loch liegende Scheibe und bewirkt, daß sie leuchtet und Strahlung aussendet – Röntgenlicht aus dem innersten, dem Schwarzen Loch am nächsten gelegene Teil und infrarotes Licht aus den äußeren Teilen der Scheibe. Die Strahlung verändert sich üblicherweise mit der Zeit, da vermutlich die einfallende Materie in Klumpen oder in einem unregelmäßigen Strom auftrifft. Die entstehende Infrarot- und Röntgenstrahlung weicht noch dazu in ihrem zeitlichen Verlauf voneinander ab und Astronomen haben lange vermutet, daß die Nachbildung des Strahlungsverhaltens zu einem tieferen Verständnis der Akkretionsprozesse bei einem Schwarzen Loch führen könnte.
Die Astronomen James Steiner und Jeff McClintock vom CfA haben mit fünf Kollegen eine von LMC X-3 in zehn Jahren entstandene Sammlung an optischen, infraroten und Röntgendaten untersucht. Sie entdeckten durch den relativen Zeitpunkt der Flares, die in den beiden Wellen-längenbereichen zu sehen sind, daß die Röntgenausbrüche um etwa zwei Wochen den Infrarot-Strahlungsausbrüchen hinterherlaufen und waren in der Lage, ein Modell zu entwickeln, daß die Abläufe erfolgreich erklären kann. Sie zogen in Betracht, daß die Strahlung von drei Stellen stammt: vom Stern selbst (normales Sternenlicht beherrscht die Strahlung), aus der Scheibe (die durch Akkretion aufgeheizt wird und sowohl im Röntgen- als auch im infraroten Licht strahlt) und von anderem heißen Material in der Scheibe und/oder dem Stern (dieses Material wird durch Röntgenstrahlung aus der heißen inneren Scheibe aufgeheizt).
Die Wissenschaftler können folgern, daß der infrarote Anteil vermutlich aus einer engen, ringförmigen Region der Scheibe stammt, ein etwas überraschendes Ergebnis, da vermutet wurde, daß der infrarote Teil aus einer breiteren Region stammen würde. Sie leiten auch eine genauere Umlaufperiode für das Binärsystem (1.704805 Tage) und wichtige Kenngrößen der Scheibe ab. Die Autoren weisen allerdings darauf hin, daß ihr Modell etwa dreißig Parameter aufweist; ihr vorgeschlagenes Szenario passt jedoch am besten zum gesamten Datensatz. Die neue Arbeit ist ein eindrucksvoller Erfolg beim Verständnis eines komplexen, spektakulären extragalaktischen Systems, das ein Schwarzen Loch beheimatet.
Literatur:
„Modeling the Optical–X-ray Accretion Lag in LMC X-3: Insights into Black-Hole Accretion Physics“
James F. Steiner, Jeffrey E. McClintock, Jerome A. Orosz, Michelle M. Buxton, Charles D. Bailyn, Ronald A. Remillard und Erin Kara
The Astrophysical Journal, 783:101 (11pp), 2014 March 10