Das rätselhafte Zentrum unserer Galaxis

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Eine mit der NIRC2-Kamera des Keck-Teleskops mittels adaptiver Optik gewonnene Aufnahme des galaktischen Zentrums im nahen Infrarot – die Sgr A* Region. Sgr A* ist zwischen seinen vielen hellen benachbarten Sternen nicht zu sehen. Das grüne Quadrat in der Bildmitte zeigt die Größe und Position des wichtigsten Pixels von Spitzer’s IRAC; das zweite Quadrat ist auf eine Referenzposition ausgerichtet. Die stabile Ausrichtung von Spitzer und sehr lange Laufzeiten der Beobachtungskampagnen erlaubten es Astronomen zum ersten Mal, kleine Veränderungen im Strahlungsfluß von Sgr A* über 23 Stunden durchgängig zu messen. Gegen Ende des Jahres erwartet man, daß die Wolke G-2 dem supermassereichen Schwarzen Loch in Sgr A* begegnet und sehr leuchtkräftige Ausbrüche verursacht. J. Hora, IRAC, and NASA


 
Das Zentrum unserer Milchstraße befindet sich etwa 25.000 Lichtjahre von der Erde entfernt in Richtung des Sternbilds Schütze. Es ist für uns im optischen Licht wegen der großen Mengen an absorbierendem Staub, der sich zwischen uns und dem Zentrum befindet, nicht sichtbar, aber Strahlung bei anderen Wellenlängen, einschließlich Infrarot- und Radiostrahlung, kann diesen Staub durchdringen. Im Herzen des galaktischen Zentrums liegt Sgr A*, ein supermassereiches Schwarzes Loch, das etwa vier Millionen Sonnenmassen enthält. Das Gebiet wird intensiv von Astronomen untersucht, da Entstehung, Entwicklung und vielleicht die Zukunft der Milchstraße (einschließlich des Sonnensystems, welches das Zentrum alle paar Hundert Millionen Jahre umkreist) teilweise von den Eigenschaften des galaktischen Zentrums bestimmt sind. Zudem ist es bei weitem der uns am nächsten gelegene galaktische Kern und ermöglicht Wissenschaftlern, die an der skurrilen Natur Schwarzer Löcher interessiert sind, im Detail die im Gang befindlichen physikalischen Aktivitäten in seiner direkten Umgebung zu untersuchen, jedenfalls im Prinzip.
Ein Problem – wenn man es so nennen will – ist, daß Sgr A* recht passiv und dunkel ist und nur geringes Flackern beobachtet wird, von dem man vermutet, daß es von kleinen Materieklumpen hervorgerufen wird, die zufällig auf eine umliegende Scheibe akkretiert werden. Diese Passivität unterscheidet Sgr A* von vielen anderen supermassereichen Schwarzen Löchern, die gewaltige Mengen an Material lebhaft akkretieren und aufheizen sowie energiereiche bipolare Jets an sich schnell bewegenden, geladenen Teilchen ausstoßen. Vor ein paar Jahren waren Astronomen in Anbetracht der Entdeckung einer großen Gaswolke (von etwa drei Erdmassen), die sich schnell in Richtung Sgr A* bewegt, vollauf begeistert. Hochrechnungen kamen zu dem Schluß, daß die Wolke (bekannt als G-2) irgendwann um diesen Sommer herum „verspeist“ werden könnte und durch die sich daraus ergebende Akkretion das Gebiet aufleuchtet und erlaubt, die Fütterungsmechanismen Schwarzer Löcher detailreich nachzustellen. Zahlreiche Gruppen begannen mit Beobachtungskampagnen, um die Aktivität von Sgr A* zu überwachen.
Die CfA-Astronomen Joe Hora, Matt Ashby, Giovanni Fazio, Howard Smith und Steve Willner schlossen sich einer Gruppe von 12 Astronomen an, um bahnbrechende Infrarot-Beobachtungen von Sgr A* mit der IRAC-Kamera an Bord des Spitzer-Weltraum-Teleskops durchzuführen. Erdbasierte Untersuchungen können Sgr A* nur während der Nächte beobachten und deshalb seiner Aktivität niemals länger als zehn Stunden zusammenhängend folgen. Hinzu kommt, daß Sgr A* in einem mit hellen Sternen übersäten Bereich liegt, der räumlich aufgelöst werden muß, um Sgr A* zu erkennen. Das letztere Problem ist mit großen Teleskopen unter Anwendung der adaptiven Optik erfolgreich gelöst worden, um die Folgen des atmosphärischen Sternfunkelns zu mindern, aber die zeitliche Einschränkung bleibt bestehen. Für Spitzer gibt es, anders als für die terrestrischen Teleskope, weder Tag noch Nacht und kann eine Quelle so lange verfolgen, wie es Daten an Bord speichern kann – etwa 50 Stunden – bevor diese übertragen werden müssen. Das Problem für die IRAC-Kamera stellt das mit Sternen überfüllte Beobachtungsgebiet dar: wenn die Kamera auf Sgr A* blickt, wird sogar das winzigste Zittern beim Ausrichten des Teleskops das Bild des Sternfeldes verwackeln und so den Gesamteinfall des Lichtes auf den wichtigsten Detektorpixel in der Art ändern, daß es mit der Aktivität durch Akkretion verwechselt werden kann.
Die Astronomen konnten sich zunutze machen, daß nahezu elf Jahre nach dem Start heute das Spitzer-Teleskop in seinen Eigenschaften gut beschriebenen ist und Fehler bei der Ausrichtung in erster Linie auf solche beschränkt werden können, die durch die Batterieheizung des Raumfahrzeugs bedingt sind und Bewegungen von nur etwa 5% einer Pixelbreite entsprechen. Die winzigen Schwankungen, die mit dieser Bewegung in Verbindung stehen, waren von dem Team leicht in den kleinen Ausschlägen beim Pixelausstoß zu messen und wurden modelliert. Die gemessenen Schwankungen des Sgr A*-Photonenstroms ergaben einen niedrigen Prozentwert. In ihrer Arbeit, in der die ersten Ergebnisse aus einem über mehrere Zeitabschnitte gelaufenen Beobachtungprogramm bekannt gegeben wurden, schreibt die Gruppe, keinen Hinweis für eine Akkretion von G-2 gefunden zu haben. Doch sahen sie die normalen kleinen Schwankungen und konnten diesen zum ersten Mal für 23 Stunden folgen. Sie waren in der Lage, auch einige längerfristige Effekte zu bestimmen, die auf eine Abweichung vom zufallsbedingten Verhalten hindeuten. Die Konsequenzen, die noch immer modelliert werden, liefern eine Grundlage, gegen welche die Begegnung von G-2 mit dem Schwarzen Loch verglichen werden kann. Mittlerweile arbeitet das Team an sechs weiteren Beobachtungssequenzen und den zugehörigen Veröffentlichungen.
Literatur:
„Spitzer/IRAC observations of the variability of Sgr A* and the object G-2 at 4.5 μm“
J. L. Hora, G. Witzel, M. L. N. Ashby, E. E. Becklin, S. Carey, G. G. Fazio, A. Ghez, J. Ingalls, L. Meyer, M. R. Morris, H. A. Smith, and S. P. Willner
The Astrophysical Journal, 793:120 (10pp), 2014 October 1