Das interstellare Medium eine Milliarde Jahre nach dem Urknall

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Eine Falschfarben-Aufnahme im fernen Infrarot, die eine Galaxie (der rote Punkt im Zentrum) zeigt, die sich auf etwa 900 Millionen Jahre nach dem Urknall datieren läßt. Ihre rote Farbe ist das Ergebnis der kosmischen Ausdehnung und ihrem Reichtum an warmem Staub. Die anderen Galaxien in der Aufnahme (eingekreist) sind uns viel näher; der Maßstab entspricht in der Entfernung der Galaxie 2.9 Millionen Lichtjahre (1 Mpc). Astronomen haben die Strahlung von ionisiertem Kohlenstoff in siebzehn ähnlichen, jüngeren Galaxien bei ihrer Untersuchung der Sternentstehung und des interstellaren Mediums in dieser frühen Epoche gemessen. ESA / NASA / Herschel; Gullberg et al.


 
Die ersten Sterne und Galaxien begannen sich einige 100 Millionen Jahre nach dem Urknall zu bilden und nach 1 Milliarde Jahre beherrschten ihre physikalischen Prozesse die Entwicklung der kosmischen Struktur. Mehr als 1.000 Kandidaten für diese frühen Galaxien sind bisher entdeckt worden, obwohl sie so entfernt und lichtschwach sind. Eine Untergruppe dieser Galaxien wurde entdeckt, die bei Submillimeter-Wellenlängen extrem hell ist und Sterne mit phantastisch hoher Rate, über tausend pro Jahr, erzeugt, das Ergebnis eines ungewöhnlich großen Vorrats an warmem Staub und Gas. Frühe Galaxien sind die direkten Vorläufer der heutigen Systeme und Astronomen, die deren Entstehung und Entwicklung modellieren, erwarten, daß sie modernen Galaxien annähernd ähnlich sehen. Dennoch gibt es ein paar mögliche, wichtige Unterschiede, wie zum Beispiel die Menge an warmem Staub; ein weiterer Unterschied ist der relative Mangel an chemischen Elementen, die heute selbstverständlich sind, die aber erst in den folgenden zwölf Milliarden Jahren in den stellaren Brennöfen durch Kernreaktionen entstanden.
Tony Stark vom CfA gehörte zu einer größeren Gruppe von Astronomen, die eine Untersuchung von Kohlenstoff im interstellaren Medium dieser frühen Galaxien abgeschlossen hat. Sie spürten eine Reihe sehr heller, entfernter Objekte in ihrer Durchmusterung mit dem Südpol-Submillimeter-Teleskop auf; diese Quellen, die eine starke Leuchtkraft im fernen Infrarot aufweisen, wurden auch in Durchmusterungen des Herschel-Weltraum-Teleskops entdeckt. Nachfolgende Beobachtungen bestätigten zwanzig staubhaltige, sternbildende Galaxien aus dieser frühen Zeit der Galaxien und entdeckten, daß ihre Helligkeit teilweise auf den Gravitationslinseneffekt von näher gelegenen Galaxienclustern zurückzuführen ist. (Der Weg des Lichts wird durch Masse gekrümmt, so daß Materie in einem Galaxiencluster, der sich im Vordergrund befindet, wie eine „Gravitationslinse“ wirken kann, die hinter ihr liegende, weiter entfernte Objekte verstärkt.)
Die Gruppe nutzte eine Emissionslinie von ionisiertem Kohlenstoff für ihre Erkundung. Diese Linie liegt bei einer infraroten Wellenlänge, die von der Atmosphäre verschluckt wird, aber auf Grund der hohen Fluchtgeschwindigkeiten dieser fernen Galaxien ist das Spektrum zu Wellenlängen im Submillimeterbereich verschoben, der von Einflüssen durch die Atmosphäre frei ist. Die ausgewählte, besondere Kohlenstofflinie entsteht, wenn ultraviolette Strahlung neuer Sterne neutrale Kohlenstoffatome im interstellaren Medium ionisieren. Siebzehn der zwanzig Galaxien zeigten diese starke Kohlenstoffemissionslinie; Kohlenmonoxid wurde ebenfalls gemessen. Die Forscher schreiben, daß die Kohlenstofflinie ein gutes Maß für die Rate der Sternentstehung im sehr frühen Universum liefert (ausgenommen in den Quellen, denen es an Kohlenstoff mangelt), daß die UV-Strahlungsdichte um das 100- bis 1.000-fache höher ist als nahe der Sonne und daß die Dichte des strahlenden Mediums mit etwa zehntausend Atome pro Kubikzentimeter moderat ist. Das Team folgert, daß zukünftige Beobachtungen einzelner Gebiete innerhalb dieser frühen Galaxien untersuchen und andere Atomlinien messen werden, um bessere Abschätzungen über den Mangel an Elementen zu erhalten.
Literatur:
„The Nature of the [C II] Emission in Dusty Star-Forming Galaxies from the SPT Survey“
B. Gullberg et al.
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 449, 2883–2900 (2015)