Astronomie ohne Teleskop – Verbotene Planeten

Von Steve Nerlich in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff
Doppelsternsysteme können Planeten besitzen – wobei man im Allgemeinen vermutet, daß es sich um Planeten handelt, deren Umlaufbahn beide Sterne umschließt. Es existieren nicht nur die erdachten Beispiele Tatoonie (in Star Wars) und Gallifrey (in der SF-Serie Dr. Who), sondern es gibt auch reale Beispiele wie PSR B1620-26 b und HW Virginis b und c. Von den realen Objekten nimmt man an, daß es sich um kalte Gasriesen mit einem mehrfachen der Jupitermasse handelt, die das Binärsystem in einigen Astronomischen Einheiten umkreisen.
Planeten, die nur einen Stern in einem Binärsystem umkreisen, sog. circumstellare Planeten, werden für gewöhnlich als unwahrscheinlich angesehen, denn die mathematische Wahrscheinlichkeit, eine stabile Umlaufbahn durch die „verbotenen Zonen“ – die das Ergebnis gravitativer Resonanzen sind, die durch die Bewegung der beiden Sterne erzeugt werden – aufrecht erhalten zu können, ist sehr gering. Die komplexe Bahndynamik sollte den Planeten entweder aus dem System schleudern oder auf eine Bahn bringen, die ihn auf Kollisionskurs mit einem der beiden Sterne bringt. Dennoch: es könnte eine Anzahl einmaliger Gelegenheiten vorhanden sein, um eine „nächste Planetengeneration“ in späteren Stadien des sich entwickelnden Doppelsternsystems zu bilden.
Ein Drehbuch für die Entwicklung eines Binärsystems könnte in etwa wie folgt aussehen:
1) Man beginnt mit zwei Sternen der Hauptreihe, die sich um ihr gemeinsames Massezentrum drehen. Circumstellare Planeten können nur stabile Umlaufbahnen erreichen, wenn sie sehr dicht um einen der beiden Sterne kreisen. Wenn es sie überhaupt gibt, ist es unwahrscheinlich, daß die Planeten sehr groß werden, denn keiner der beiden Sterne könnte wegen der engen Nachbarschaft zum anderen eine große protoplanetarische Scheibe aufrecht erhalten.
2) Der massereichere der beiden Sterne entwickelt sich schneller und wird zu einem Stern auf dem asymptotischen Riesenast; er wird ein Roter Riese – vermutlich zerstört er dabei jeden Planeten, den er einmal besessen hatte. Einiges an Masse geht dem Binärsystem verloren, wenn der Rote Riese seine äußeren Schichten wegbläst – was wiederum vermutlich den Abstand der beiden Sterne vergrößert. Doch der Masseverlust stellt auch Material für eine protoplanetare Scheibe bereit, die sich um den Begleiter des Roten Riesen bilden kann.
3) Der Rote Riese entwickelt sich zu einem Weißen Zwerg weiter, während der andere Stern (immer noch auf der Hauptreihe und jetzt mit zusätzlichem Brennstoff und einer protoplanetarischen Scheibe versehen) ein System aus ihn umkreisenden Planeten der “zweiten Generation” entwickeln kann. Dieses neue Sternsystem könnte für Milliarden oder noch mehr Jahre stabil sein.
4) Der verbliebene Hauptreihenstern wird schließlich auch zu einem Roten Riesen, der eventuell seine Planeten zerstört und erneut die Distanz zwischen den beiden Sternen vergrößert – er könnte aber auch Material liefern, um eine protoplanetare Scheibe um den entfernten Weißen Zwerg zu bilden, was die Möglichkeit eröffnet, an diesem Ort eine dritte Planetengeneration entstehen zu lassen.

Wie ein Binärsystem Generationen an Planeten entstehen lassen könnte:
a) Erste Planetengeneration – klein und sehr nah am Mutterstern – könnte möglich sein, während sich beide Sterne auf der Hauptreihe (MS = Main Sequence) befinden und in enger Nachbarschaft zueinander stehen. b) Eines Tages entwickelt sich ein Stern von der Hauptreihe zu einem AGB-Stern (AGB = Asymptotic Giant Branch) – mit anderen Worten, er wird zu einem Roten Riesen. c) Die beiden Sterne entfernen sich weiter voneinander, während vom Roten Riesen weggeblasenes Stern-material eine protoplanetare Scheibe um den zweiten Stern aufbaut und dort eine zweite Generation von Planeten entsteht. d) Der zweite Stern wird schließlich auch zu einem Roten Riesen und gibt dem ersten Stern, jetzt ein Weißer Zwerg (WD = White Dwarf) eine protoplanetarische Scheibe, die die dritte Generation an Planeten hervorbringen kann. Quelle: H.B. Perets
Die Entwicklung des Planetensystems der dritten Generation hängt davon ab, ob der Weiße Zwerg seine Gesamtmasse unterhalb der Chandrasekhar-Grenze (dies sind rund 1.4 Sonnenmassen – abhängig von seiner Rotationsgeschwindigkeit), ungeachtet der Möglichkeit, daß er weiteres Material vom Roten Riesen bekommen hat, halten kann. Bleibt die Masse nicht unterhalb dieser Grenze, wird der Weiße Zwerg zu einer Supernova vom Typ Ia – er gibt unter Umständen einen kleinen Teil seiner Masse an den anderen Stern wieder zurück, obwohl in diesem Stadium der andere Stern schon ein sehr weit entfernter Begleiter sein könnte.
Ein interessanter Gesichtspunkt dieser Entwicklungsgeschichte ist, daß jede Planetengeneration aus Sternmaterial aufgebaut wird, das der Reihe nach wachsende Anteile an „Metallen“ besitzt (also Elemente, die schwerer als Wasserstoff und Helium sind), da das Material durch die Fusionsprozesse in jedem der beiden Sterne wieder und wieder verarbeitet wird. Bei solch einem Szenario wird es für alte Sterne möglich, und dies gilt sogar für solche, die sich zu einem Binärsystem mit ursprünglich niedrigem Metallgehalt formten, felsige Planeten in ihrem späteren Lebenszyklus entstehen zu lassen.
Weiterführende Literatur (im Internet zu finden unter):
arXiv:1012.0572v1
Hagai B. Perets
Planets in evolved binary systems (2010)