Astronomie ohne Teleskop – Sternarchäologie

Je weiter und tiefer wir in den Himmel blicken, desto tiefer schauen wir in die Vergangenheit – doch es gibt auch andere Wege, um an Informationen über die längst vergangene Geschichte des Weltalls zu gelangen. Sterne mit geringer Masse und geringem Metallgehalt können Hinterlassenschaften des frühen Universums sein und wertvolle Informationen über die Umwelt in jenem frühen Universum in sich bergen.
Bild: Population 3Künstlerische Darstellung von Sternen der Population 3, geboren vor über 13 Milliarden Jahren – der früheste, älteste und vermutlich ein schon längst ausgestorbener Sterntyp. Quelle: NASA
Gemäß der Logik der Sternarchäologie verfolgt man Generationen an Sternen bis zu den allerersten Sternen zurück, die man in unserem Universum findet. Erst kürzlich geborene Sterne, in den letzten fünf oder sechs Milliarden Jahren entstanden, nennen wir Sterne der Population 1 – in diese Gruppe gehört auch unsere Sonne. Diese Sterne wurden in einem interstellaren Medium (z. Bsp. Gaswolken) geboren, welches durch den Tod einer vorherigen Sterngeneration, die Population 2 genannt wird, mit Metallen angereicht wurde.
Sterne der Population 2 entstanden aus einem interstellaren Medium, das vor 12 oder 13 Milliarden Jahren existierte – und welches durch den Tod der Sterne der Population 3, den allerersten Sternen überhaupt, die unser Universum sah, mit Metallen versetzt wurde.
Wenn man davon spricht, daß „das interstellar Medium beim Tod eines Sterns mit Metallen versetzt wurde“, so schließt dies Sterne durchschnittlicher Größe, die am Ende ihres Daseins als Roter Riese Planetarische Nebel abstoßen ebenso ein wie massereiche Sterne, die in einer Supernova explodieren.
Zum Beispiel zeigt das Spektrum des Sterns HE 0107-5240 einen sehr niedrigen Metallgehalt. Das entspricht dem, was man von einem sehr frühen, massearmen Stern der Population 2 erwartet, der mit den Produkten aus einer Supernova von einem Stern der Population 3 entstanden ist.
Es dürfte sehr schwer werden, noch näher an Sterne der Population 3 heranzukommen, um über sie Informationen zu erlangen. Teleskope, die noch tiefer in den Raum schauen können (und daher auch weiter in der Zeit zurückblicken), könnten schließlich einen solchen Stern entdecken – aber es ist sehr unwahrscheinlich, daß ein solcher Stern noch existiert. Gemäß einer allgemein anerkannten Theorie bildeten sich Sterne der Population 3 in einem homogenen interstellaren Medium aus Wasserstoff und Helium. Die Gleichförmigkeit dieses Mediums hatte zur Folge, daß alle entstehenden Sterne extrem massereich waren – sie erreichten Hunderte von Sonnenmassen.
Sterne dieser Größe haben nicht nur eine kurze Lebensdauer, sondern sie explodieren auch mit solch einer Gewalt, daß sie sich im wahrsten Sinne des Wortes selbst pulverisieren – wie bei einer „Paar-Instabilitäts-Supernova“, die weder einen Neutronenstern noch ein Schwarzes Loch hinterläßt. Die Supernova SN2006gy war vermutlich solch eine Paar-Instabilitäts-Supernova und hat wohl die letzten Augenblicke jener Sterne wiedergegeben, die vor mehr als 13 Milliarden Jahren als Population 3 existierten.
Bild: Paar-Instabilitäts-Supernova
Darstellung einer Paar-Instabilitäts-Supernova: In sehr massereichen Sternen wird die aus dem Kern stammende Gammastrahlung so energiereich, daß sie zur Paarbildung in der Lage ist. Es entstehen Teilchen und Antiteilchen (meist Elektronen und Positronen). Wandelt sich die Gammastrahlung in Partikel um, nimmt der Strahlungsdruck dramatisch ab und dies führt zum Gravitationskollaps des Sternkerns – und dann folgt der große Knall! Quelle: chandra.harvard.edu
Erst nachdem Sterne der Population 3 das interstellare Medium mit schwereren Elementen versetzt hatten, konnte eine wirksame Kühlung zu einer Unterbrechung des thermischen Gleichgewichts und damit zur Fragmentierung von Gaswolken führen – und erst jetzt konnten kleinere und damit auch länger lebende Sterne der Population 2 entstehen.
In den Zwerggalaxien, die die Milchstraße umkreisen, findet man sehr alte Sterne der Population 2. Diese Sterne sind auch im galaktischen Halo und in den Kugelsternhaufen allgemein verbreitet. Hingegen weist der innere Bereich der Milchstraße eine Menge Sterne der jungen Population 1 auf.
Von Steve Nerlich in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff