Astronomie ohne Teleskop – Entwicklung Schwarzer Löcher

Von Steve Nerlich in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff

Die Idee, daß jede Galaxie von erheblicher Größe ein supermassereiches Schwarzes Loch in ihrem Zentrum beherbergt, gewinnt an Zuspruch. Oder sind diese supermassereichen Schwarze Löcher von grundlegender Bedeutung für den Ablauf der Galaxienentstehung?

Obwohl man nur durch Schlußfolgerungen ihr Dasein zeigen kann, ist die Existenz supermassereicher Schwarzer Löcher (SMBHs) im Zentrum der meisten – wenn nicht aller – Galaxien eine verlockende Theorie, die von einer ganzen Reihe indirekter Beobachtungsmethoden gestützt wird. Diese Daten weisen auf eine starke Abhängigkeit zwischen der Masse des Bulge und der Masse des zentralen SMBH einer Galaxie hin. Dies bedeutet, daß kleinere Galaxien kleinere und größere Galaxien größere SMBHs beheimaten.

Verbunden mit dieser Feststellung ist die Vorstellung, daß SMBHs eine eigene Rolle bei der Galaxien-entstehung und -entwicklung spielen können – und könnten sogar der erste Schritt in der Entstehung der frühesten Galaxien im Universum gewesen sein, einschließlich der Proto-Milchstraße.

Bei diesen Überlegungen gibt es wichtige Annahmen, da die Masse eines galaktischen Bulge allgemein aus der Geschwindigkeitsverteilung seiner Sterne hergeleitet wird – während die Anwesenheit masse-reicher Schwarzer Löcher im Zentrum eines solchen Bulge aus der sehr schnellen Radialbewegung der inneren Sterne abgeleitet wird – jedenfalls bei näher stehenden Galaxien, in denen man die Sterne einzeln beobachten kann.

Bei Galaxien, die zu weit entfernt sind, um einzelne Sterne zu beobachten, werden Geschwindigkeits-verteilung und Anwesenheit eines zentralen Schwarzen Lochs gefolgert – sowohl durch Rückgriff auf Erkenntnisse, die man von näher gelegenen Galaxien gewonnen hat, als auch durch die direkte Beobachtung breiter Emissionslinien – die als Ergebnis einer sehr schnellen Umlaufbewegung von Gas um ein SMBH gedeutet werden (die Verbreiterung dieser Linien ist das Ergebnis des Doppler-Effekts).

Aber ungeachtet aller Annahmen, die dieser Arbeit zugrunde liegen, werden die Beobachtungen fort-gesetzt, um das theoretische Modell zu stützen und in der Folge zu stärken. Nach allem scheint es sehr wahrscheinlich, daß das SMBH gemeinsam mit dem galaktischen Bulge in der Heimatgalaxie wächst, statt den Bulge am Wachsen zu hindern.

Es wird vermutet, daß die frühesten Galaxien, die sich in einem kleineren und dichteren Universum bildeten, begonnen haben könnten, schnell Gas und Staub aufzusammeln. Daraus bildeten sich masse-reiche Sterne, die wiederum zu Schwarzen Löchern wurden – die dann schnell an Größe zunahmen. Dies gelang ihnen dank der Menge an umgebenden Gas und Staub, das sie weiter vermehren konnten.

Entfernte Quasare könnten Beispiele für solche Objekte sein, die auf galaktische Größe angewachsen sind. Doch begrenzt sich dieses Wachstum selbst, sobald der Strahlungsdruck der Akkretionsscheibe und der polaren Jets eines SMBH kräftig genug wird, große Mengen Gas und Staub aus dem Einfluß-bereich des wachsenden SMBHs wegzudrücken. Dieses fortgetriebene Material trägt Reste des Dreh-impulses mit sich, der es in einem Halo um das SMBH hält und in diesen äußeren Bereichen ist dann sogar Sternentstehung möglich. Auf diese Weise entsteht ein dynamisches Gleichgewicht. Je mehr Material ein SMBH verschlingt, umso mehr Material wird in Folge nach außen geblasen – und trägt zum Wachstum der Galaxie bei, die sich um das SMBH bildet.

Die fast geradlinige Beziehung zwischen SMBH-Masse (M) und Geschwindigkeitsverteilung (σ) des galaktischen Bulge (die M-σ-Beziehung) deutet darauf hin, daß es eine Art gemeinsamer Entwicklung zwischen einem SMBH und seiner Heimatgalaxie gibt. Der einzige Weg, auf dem ein SMBH wachsen kann, ist der, daß seine Heimatgalaxie ebenfalls größer wird – und umgekehrt. Das linke Diagramm gibt Datenpunkte wieder, abgeleitet von verschiedenen Objekten in einer Galaxie – rechts zeigt das Diagramm Datenpunkte, die von unterschiedlichen Galaxientypen abgeleitet wurden.

Quelle: Tremaine et al. (2002)

Um die Entwicklung der Beziehung zwischen SMBHs und ihren Heimatgalaxien weiter zu erforschen, betrachteten Nesvadba et al. eine Anzahl sehr rotverschobener (und damit sehr entfernt gelegener) Radiogalaxien. Sie vermuten, daß ihre ausgewählte Galaxiengruppe einen kritischen Punkt erreicht hat – das SMBH bläst genau so viel Material fort wie es verschluckt – ein Zustand, der vermutlich die Grenze des aktiven Wachstums des SMBH und seiner Heimatgalaxie darstellt.

Ab diesem Punkt könnten solche Galaxien durch Kannibalismus weiter wachsen – auch das könnte wieder zu einer gemeinsamen Entwicklung von Galaxie und SMBH führen. So viel auch vom Material der verschlungenen Galaxie zur Sternbildung innerhalb der schlemmenden galaktischen Scheibe und des Bulge verbraucht wird, der Rest gelangt ins Zentrum und füttert das zentrale SMBH.

Obwohl sie die allgemeine Vorstellung nicht in Zweifel ziehen, vermuten andere Autoren (wie zum Beispiel Schulze und Gebhardt), daß all die Messungen etwas danebenliegen, da die Dunkle Materie nicht in das theoretische Modelles mit einbezogen ist. Aber das ist wieder eine andere Geschichte…

Weiterführende Literatur (im Internet zu finden unter):

arXiv:1011.4158v1

Nicole P. H. Nesvadba, Carlos De Breuck, Matt D. Lehnert, Philip N. Best, Luc Binette, Daniel Proga
The black holes of radio galaxies during the „Quasar Era“: Masses, accretion rates, and evolutionary stage (2010)
arXiv:1011.5077v1
Andreas Schulze und Karl Gebhardt
Effect of a dark matter halo on the determination of black hole masses (2010)
arXiv:1011.5077v2
Andreas Schulze und Karl Gebhardt
Effect of a dark matter halo on the determination of black hole masses (2011)