Originalveröffentlichung am 22.02.2024 zu finden unter: https://webbtelescope.org/news/news-releases
Zusammenfassung: Astronomen entdecken das lange gesuchte kompakte Objekt im Überrest der Supernova 1987A
Im Februar 1987 erschien die der Erde am nächsten gelegene Supernova seit fast 400 Jahren auf der Bildfläche. Die als Supernova 1987A (SN 1987A) bezeichnete Erscheinung entstand durch den Tod eines massereichen Sterns in der Großen Magellanschen Wolke, einer 160.000 Lichtjahre entfernten Zwerggalaxie. In den vergangenen Jahrzehnten wurde der Supernova-Überrest von Teleskopen bei allen Wellenlängen des Lichts, von Röntgenstrahlen bis zur Radiostrahlung, untersucht. Doch trotz all der Untersuchungen ist ein Rätsel geblieben.
Der Theorie nach hätte die Sternexplosion entweder einen Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch hervorbringen müssen. Nach Beweisen für ein solch kompaktes Objekt wird seit langem gesucht – ohne Erfolg. Jetzt haben neue Beobachtungen von James-Webb-Weltraumteleskops der NASA den ersten direkten Beweis für einen wahrscheinlichen Neutronenstern erbracht, der sich durch die Auswirkungen seiner hochenergetischen Strahlung zeigt.
Das James-Webb-Weltraumteleskop der NASA hat den bisher besten Beweis für die Emission eines Neutronensterns am Ort einer kürzlich beobachteten Supernova gefunden. Bei SN 1987A handelte es sich um eine Kernkollaps-Supernova, d. h. die verdichteten Überreste in ihrem Kern bildeten entweder einen Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch. Nach Be-weisen für ein solch kompaktes Objekt wird seit langem gesucht, und während zuvor indirekte Beweise für das Vorhanden-sein eines Neutronensterns gefunden wurden, ist dies das erste Mal, daß die Auswirkungen der hochenergetischen Emission eines wahrscheinlich jungen Neutronensterns nachgewiesen wurden.
Supernovae – der explosionsartige Todeskampf einiger massereicher Sterne – explodieren innerhalb von Stunden, und die Helligkeit der Explosion erreicht innerhalb weniger Monate ihren Höhepunkt. Die Überreste des explodierten Sterns werden sich in den folgenden Jahrzehnten mit hoher Geschwindigkeit weiterentwickeln und bieten den Astronomen die seltene Gelegenheit, einen wichtigen astronomischen Prozeß in Echtzeit zu untersuchen.
Supernova 1987A
SN 1987A ereignete sich 160.000 Lichtjahre von der Erde entfernt in der Großen Magellanschen Wolke. Sie wurde erst-mals im Februar 1987 von der Erde aus beobachtet, und ihre Helligkeit erreichte im Mai desselben Jahres ihren Höhe-punkt. Es war die erste Supernova, die seit der Beobachtung von Kepler’s Supernova im Jahr 1604 mit bloßem Auge gesehen werden konnte.
Etwa zwei Stunden vor der ersten Beobachtung von SN 1987A mit sichtbarem Licht entdeckten drei Observatorien auf der Welt einen Neutrinostoß von nur wenigen Sekunden Dauer. Die beiden unterschiedlichen Arten von Beobachtungen wurden mit demselben Supernova-Ereignis in Verbindung gebracht und lieferten wichtige Hinweise für die Theorie des Ablaufs von Kernkollaps-Supernovae. Diese Theorie beinhaltete die Erwartung, daß diese Art von Supernova einen Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch bilden würde. Seitdem suchen Astronomen nach Beweisen für das eine oder andere kompakte Objekt im Zentrum der sich ausdehnenden Überreste.
Indirekte Beweise für das Vorhandensein eines Neutronensterns im Zentrum des Überrests wurden in den letzten Jahren gefunden, und Beobachtungen von viel älteren Supernova-Überresten – wie dem Krebsnebel – bestätigen, daß Neutronensterne in vielen Supernova-Überresten zu finden sind. Bislang wurde jedoch kein direkter Nachweis eines Neutronensterns in den Überresten von SN 1987A (oder einer anderen Supernova-Explosion dieser Art) beobachtet.
Claes Fransson von der Universität Stockholm, der Hauptautor dieser Studie, erklärte: “Aus theoretischen Modellen von SN 1987A ging hervor, daß der 10-sekündige Neutrinoausbruch, der kurz vor der Supernova beobachtet wurde, darauf hindeutet, daß sich bei der Explosion ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch gebildet hat. Wir haben jedoch bei keiner Supernova-Explosion eine zwingende Signatur eines solchen neugeborenen Objekts beobachtet. Mit diesem Observatorium haben wir nun den direkten Beweis für eine Emission gefunden, die von einem neugeborenen kompakten Objekt, höchstwahrscheinlich einem Neutronenstern, ausgelöst wurde.”
Webb’s Beobachtungen von SN 1987A
Webb hat im Juli 2022 mit wissenschaftlichen Beobachtungen begonnen. Die Webb-Beobachtungen, die dieser Arbeit zugrunde liegen, wurden am 16. Juli aufgenommen, so daß der Überrest der SN 1987A eines der ersten von Webb beobachteten Objekte war. Das Team verwendete den MRS-Modus (Medium Resolution Spectrograph) des MIRI-Instruments (Mid-Infrared Instrument) von Webb, das von Mitgliedern desselben Teams mitentwickelt wurde. Der MRS ist ein Instrumententyp, der als Integral Field Unit (IFU) bekannt ist.
IFUs sind in der Lage, ein Objekt abzubilden und gleichzeitig ein Spektrum davon aufzunehmen. Eine IFU erstellt ein Spektrum an jedem Pixel, so daß der Beobachter die spektroskopischen Unterschiede zwischen den Objekten erkennen kann. Die Auswertung der Dopplerverschiebung jedes Spektrums ermöglicht auch die Bewertung der Geschwindigkeit an jeder Position.
Die Spektralanalyse der Ergebnisse zeigte ein starkes Signal, das auf ionisiertes Argon aus dem Zentrum des ausgeworfe-nen Materials zurückzuführen ist, das den ursprünglichen Ort von SN 1987A umgibt. Nachfolgende Beobachtungen mit Webb’s NIRSpec (Nahinfrarotspektrograph) IFU bei kürzeren Wellenlängen fanden noch stärker ionisierte chemische Elemente, insbesondere fünffach ionisiertes Argon (das heißt Argonatome, die fünf ihrer 18 Elektronen verloren haben). Solche Ionen benötigen hochenergetische Photonen, um sich zu bilden, und diese Photonen müssen irgendwo her-kommen.
“Um diese Ionen zu erzeugen, die wir in den Auswürfen beobachtet haben, war es klar, daß es eine Quelle hochenergeti-scher Strahlung im Zentrum des Überrests von SN 1987A geben mußte”, so Fransson. “In der Arbeit diskutieren wir ver-schiedene Möglichkeiten und kommen zu dem Schluß, daß nur wenige Szenarien wahrscheinlich sind, und alle beinhalten einen neu geborenen Neutronenstern.”
Für dieses Jahr sind weitere Beobachtungen mit Webb und bodengestützten Teleskopen geplant. Das Forschungsteam hofft, daß die laufenden Untersuchungen mehr Klarheit darüber bringen werden, was genau im Herzen des Überrests von SN 1987A passiert. Diese Beobachtungen werden hoffentlich die Entwicklung detaillierterer Modelle anregen und es den Astronomen letztlich ermöglichen, nicht nur SN 1987A, sondern alle Kernkollaps-Supernovae besser zu verstehen.
Diese Ergebnisse wurden in der Zeitschrift Science veröffentlicht.
Das James-Webb-Weltraumteleskop ist das weltweit führende Observatorium für Weltraumforschung. Webb wird Rätsel in unserem Sonnensystem lösen, einen Blick auf ferne Welten um andere Sterne werfen und die geheimnisvollen Strukturen und Ursprünge unseres Universums und unseren Platz darin erforschen. Webb ist ein internationales Programm unter der Leitung der NASA und ihrer Partner ESA (Europäische Weltraumorganisation) und CSA (Kanadische Weltraumorganisa-tion).
SN 1987A (NIRCam, MIRI und NIRSpec Ansichten)

Mikako Matsuura (Cardiff University), M. Barlow (UCL),
Patrick Kavanagh (Maynooth University), Josefin Larsson (KTH)
- Fast Facts
- Objekt
- Objektname(n): SN 1987A
- Objektbeschreibung: Supernova-Überrest
- Rektaszension: 05:35:28.03
- Deklination: -69:16:11.8
- Sternbild: Dorado
- Entfernung: Ungefähr 160.000 Lichtjahre entfernt
- Abmessung: Das Bild hat einen Durchmesser von etwa 5,5 Bogenminuten (10 Lichtjahre)
- Daten
- Instrument: NIRCam, MIRI, NIRSpec
- Filter: NIRCam: F150W, F164N, F200W, F323N, F405N, F444W
- Bild
- Farbinformation: Das Hauptbild ist ein Kompositbild aus Einzelbelichtungen, die vom James-Webb-Weltraumteleskop mit dem NIRCam-Instrument aufgenommen wurden. Es wurden mehrere Filter verwendet, um bestimmte Wellen-längenbereiche zu erfassen. Die Farbe ergibt sich aus der Zuordnung verschiedener Farbtöne (Farben) zu jedem monochromatischen (Graustufen-)Bild, das einem einzelnen Filter zugeordnet ist. In diesem Fall sind die zugewiesenen Farben:
- Blau: F150W Cyan: F164N Cyan: F200W Gelb: F323N Orange: F405N Rot: F444W
Über das Bild: Das James-Webb-Weltraumteleskop hat den bisher besten Beweis für die Emission eines Neutronensterns am Ort einer bekannten und vor Kurzem beobachteten Supernova, SN 1987A, erbracht. Links ist ein NIRCam-Bild (Nah-infrarotkamera) zu sehen, das im Jahr 2023 veröffentlicht wurde. Das Bild oben rechts zeigt Licht von einfach ionisiertem Argon (Argon II), das mit dem Medium Resolution Spectrograph (MRS)-Modus des MIRI (Mid-Infrared Instrument) aufge-nommen wurde. Das Bild unten rechts zeigt Licht von mehrfach ionisiertem Argon, das NIRSpec (Nahinfrarotspektrograph) aufnahm. Beide Instrumente zeigen ein starkes Signal aus dem Zentrum des Supernova-Überrests. Dies deutete für das Wissenschaftlerteam darauf hin, daß es dort eine Quelle hochenergetischer Strahlung gibt, höchstwahrscheinlich ein Neutronenstern.